Quelle: AZ (Aachener Zeitung / Heinsberger Zeitung), Donnerstag, 1. Juli 2021, Nr 150, Seite 15 C
Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke kandidiert bei der Bundestagswahl im Kreis Heinsberg für Die PARTEI. Ein satirisches Interview.
Gespräch mit den örtlichen KandidatX vor Ort am Busbahhof Heinsberg → https://www.facebook.com/watch/?v=196424555540498
KREIS HEINSBERG Eigentlich ist er Kriminalbiologe. Dr. Mark Benecke probierte sich aber auch schon auf politischer Ebene als Oberbürgermeister-Kandidat für Die PARTEI in Köln. Jetzt will er den Kreis Heinsberg im Bundestag vertreten. Die wichtigsten Fragen dazu beantwortet er im satirischen Interview mit Kevin Teichmann.
Hast du heute schon ein Bier getrunken?
Mark Benecke: Ja, ich habe aus der Region verschiedene Biere bekommen. Ich finde es eindrucksvoll, dass im Kreis Heinsberg so eine Bier-Toleranz herrscht. Da habe ich das Gangelter Bier Fruchtig Hell, dann das Alfa Edel Pils, das Gangelter Bier Original Dunkel und so eine schöne große Flasche Rossberger Landbier. Am coolsten, wegen des großen Griffs, ist natürlich das Hilfarther, das „Bier von hier“. Und da arbeite ich mich gerade durch beziehungsweise ein. Diese schönen Biere kommen heute im Laufe des Tages alle noch dran. Auf das fruchtig Helle, da bin ich auch schon sehr gespannt, wie fruchtig und wie hell es wirklich am Gaumen, im Abgang auf der Zunge und auch später im Körper ist.
Du sprichst schon von der Bier-Toleranz im Kreis Heinsberg. Erklär doch mal bitte, was dich da so fasziniert.
Benecke: In den meisten Regionen Deutschlands gibts so Mikro-Aufsplittungen wie beispielsweise in Berlin, da streiten sich Leute über Kindl oder irgendwas anderes. Das hängt auch damit zusammen, wo früher die Mauer war und dass sich die vielen Teile der Stadt zueinander nicht zugehörig fühlen. Das ist in Heinsberg ganz anders. Da wird Pils, Alt, Kölsch alles durcheinander getrunken – vielleicht sogar gleichzeitig und nebeneinander. Das finde ich besonders schön. Und das mag ich. Jetzt gerade bin ich in der Kölner Südstadt in meinem Büro. Hier im Viertel wurde auch bis vor kurzem zum Beispiel noch Pils getrunken. Das wissen die Leute aber nicht mehr.
Alle denken, in Köln müsste man Kölsch trinken. Das passiert dadurch, dass die Leute zuziehen und dann irgendetwas suchen, was alles zusammenklammert und zusammenhält. Neben dem Karneval ist das das Kölsch. Aber das ist gar nicht echt. Echt ist es dagegen in Heinsberg. Da wird dieVielfalt noch gelebt und nicht zugekleistert mit künstlichem Zusammenhalt durch Bier. Karneval gibts ja jetzt künftig nicht mehr wegen der Verbreitung von Krankheiten. Zumindest nicht mehr im Kreis Heinsberg. Und das finde ich gut: Vielfalt in der Einfalt.
Wenn Zusammenhalt durch Bier oder Karneval wegbricht, wie kann man neuen Zusammenhalt dann schaffen? Auch auf politischer Ebene.
Benecke: Das ist ja in der Vielfalt gegeben. Also wenn ich Vielfalt als etwas Schönes wahrnehme, so wie das in Heinsberg in Bierdingen ist, dann habe ich ja den Zusammenhalt, weil dann kann jede und jeder sein, wie sie oder er gerne möchte. Wie der Kölner sagt: Jede’ Jeck ist anders – und besser gehts ja gar nicht. Also da braucht man gar nichts weiteres. Diesen Ausfall des Karnevals, das ist ja schon gelöst in Heinsberg. Ich habe meine Heinsberg-Studie ja neulich schon gemacht. Ich war am Busbahnhof, und da haben 52 Leute keine Maske getragen und zwölf – zwei davon waren meine Frau und ich – hatten eine Maske an. Und ich denke mal, mit dieser Einstellung kann man alles Karnevalistische ja leicht kompensieren, oder? Da sagt man sich: Ich gehe schön zum Busbahnhof – ohne Maske natürlich – und die Fritten sind sensationell, die es da gibt. Und dann kann man einfach da feiern oder auch in dem Multikulti-Zentrum, das ich auch besichtigt habe – sehr, sehr geil: Oben mit dem China-Garten, mit diesem grün-weißen Dach, im Einkaufszentrum ist ja alles da. Das muss man gar nicht mehr künstlich befeuern. Die gute Laune, die ist ja jeden Tag zu sehen, wenn man von der Endhaltestelle der Deutschen Bahn da hineinplatzt in das fröhliche Leben im Einkaufszentrum am Busbahnhof.
Welche weiteren interessanten Beobachtungen hast du gemacht?
Benecke: Schön fand ich, dass sich auch alle umarmt haben. Also das finde ich von den Heinsberger Bürgerinnen und Bürgern vorbildlich. Die lassen sich nicht irgendwelchen Unsinn vorschreiben. Wir haben ja auch von der PARTEI Masken mit der Aufschrift „Patient 0“. Die ist extra durchlässig. Wenn mal wieder irgendjemand die Menschen in Heinsberg belästigt mit Unsinn, dann bekommen die von uns diese Fake-Masken. Jeder ist Patient 0. Da kann man sich dann sparen, dass irgendwelche Forscher und Forscherinnen die Menschen verunsichern. Das ist nicht wünschenswert. Eine durchlässige Fake-Maske ist auch für Kinder geeignet, da es zwei Ohrschlaufenlängen gibt: Also auch Kinder können sich mit der PARTEI nicht schützen. So steht dem Frohsinn und der Eintracht überhaupt nichts mehr entgegen.
Jetzt steht ja Satire drauf. Das würde sich mit deiner beruflichen Laufbahn vermutlich schlecht vereinbaren lassen, wenn du Masken-Verweigerer wärst. Du hast ja auch Maske getragen. Für wie wichtig hältst du das?
Benecke: Offenbar herrscht ja vor Ort die gelassenst mögliche Einstellung. Entweder ich sterbe oder ich überleb‘s. Wenn ich Heinsberg im Bundestag repräsentiere, werde ich das genauso machen. Meine persönliche Meinung spielt keine Rolle. Ich bin ja nur der Korken auf dem Meer der Heinsbergerinnen und Heinsberger und derer Wünsche und Stimmungen.
Ist so eine Tod-oder-Gladiolen-Mentalitätdann auch hilfreich im Bundestag?
Benecke: Eine gewisse entspannte Einstellung zu allem ist sehr, sehr gut. Ich habe ja hier in Köln den ersten Coffeeshop Deutschlands eröffnen dürfen vor einigen Jahren. Da haben wir dann in so szenetypischen kleinen Päckchen Gras verkauft. Zum besseren Verständnis habe ich dann auch ein Poster mit Abbildungen verschiedener Gräser aufgehängt, und die sind weggegangen wie warme Semmeln. Ich denke, zwischen Tod oder Gladiolen steht immer noch Gras – und das muss ich in der Region Heinsberg niemandem näher erklären.
Sicherheitshalber mache ich es aber doch, weil wir dann richtig Ärger bekommen haben mit den Dealern und deren Anwälten. Die sagten, wir dürfen kein Gras verkaufen. Wir haben gesagt, das haben wir aber gerade frisch vom Rasenmäher, das ist doch jetzt nicht so schlimm. Aber die wollten uns direkt ein paar auf die Glocke hauen. Ich würde sagen, zwischen den Extremen ist die Gelassenheit, und die kann man in der Nähe zur holländischen Grenze natürlich dann auch durch den Verkauf von Wiesengras zumindest finanziell sich zugute kommen lassen.
In dieser Grenznähe ist aber vielleicht nicht so der große Bedarf. Siehst du dennoch Chancen für Menschen, die jetzt in das Coffeeshop-Geschäft einsteigen möchten? Auch und gerade in der Modellregion Heinsberg.
Benecke: Natürlich. Der Bedarf ist riesengroß. Wir wissen aus den USA, dass die Steuereinnahmen nach der Legalisierung nach oben geschnellt sind – allerdings von THC-Produkten, von denen ich ja hier nicht gesprochen habe. In den USA ist für diese rätselhaften THC-Produkte, die natürlich in der Region Heinsberg noch nie jemand gesehen hat, ein Riesenbedarf da, der dazu geführt hat, dass Staaten wie zum Beispiel Washington, aber auch mehrere andere Staaten, von dem angeblichen medizinischen Verkauf dieser Gras-Produkte dazu übergegangen sind, es komplett zu legalisieren. Und die schwimmen jetzt in Steuergeldern. Gerade die Modellregion Heinsberg kann davon besonders profitieren. Und man könnte das Multikulti-Zentrum natürlich noch viel prächtiger ausbauen.
Weitere Maßnahmen: Ich kann Autos nicht leiden. Wenn ich Bundestagsabgeordneter für Heinsberg bin, werden die Autos verschwinden und dann kann man auf dem Parkplatz am Busbahnhof eine riesige Coffeeshop-Anlage bauen. Konkurrenz stärkt das Geschäft. Also man könnte die Leute ermuntern: Jeder sollte seinen kleinen Laden aufmachen. Ich denke, das dürfte eine sehr friedliche Stimmung erzeugen – und Geld in die Region spülen, das ist natürlich das Wichtigste.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass unsere Zeitung deine Lieblingszeitung ist. Warum eigentlich?
Benecke: Ja, ich liebe natürlich alles, was Lokalkolorit hat, und besonders die westlichste Region Deutschlands, die irgendwie überhaupt nicht bekannt ist. Auf viele der Probleme und Wünsche kommt man ja nicht unbedingt sofort. Zum Beispiel habe ich gefragt, wo denn eigentlich das Stadtzentrum ist. Ich wurde dann darauf hingewiesen, dass dieses Stadtzentrum der Busbahnhof sei. Das andere, wo die Einkaufsstraße sei, da gebe es nur große Ladenketten von der Stange. Diesen Spirit, den ihr auch in eurer sehr guten Online- und Print-Zeitung durchzieht, das Schöne, Kleine, Ehrliche zu benennen, das finde ich super.
So wie auch diese extreme Reibung an der Self-Kant – ich spreche das „self“ englisch aus, das hört sich internationaler an. Das kann jeder mitnehmen, der eure Zeitung liebt, online und gedruckt liest. Einfach sich eine kleine Region suchen, die freiwillig wieder in Deutschland zurück gegeben wurde, diese dann trotzdem nicht leiden können und sagen: „Nee, das möchte ich nicht haben.“ Das ist Größe, dass man Geschenke nicht annehmen muss, wenn man sie nicht möchte. Natürlich ganz sympathisch und mit Augenzwinkern. So wie das halt bei euch vorgelebt und vorgeschrieben wird – in eurer sehr guten Zeitung, die ja zum Glück im Print und online erscheint, denn dann kann ich sie zwei Mal lesen. Das finde ich sehr, sehr gut.
Du hast einige Punkte deines Wahlprogramms auch schon veröffentlicht. Kannst du darauf näher eingehen?
Benecke: Die Grenze nach Aachen muss befestigt werden. Mir war das gar nicht klar, wie stark dieses Anliegen ist. Ich habe sehr oft gefragt, warum eigentlich jetzt gerade Bad Aachen dieses Ziel des Hasses ist – und nicht zum Beispiel Köln, Düren, Düsseldorf, Viersen oder Krefeld. Ich denke, es liegt daran, weil einfach die Leute in Bad Aachen die Nase zu hoch tragen. Ich meine: Welche andere Großstadt in Nordrhein-Westfalen darf sich schon offiziell "Bad" nennen, macht es dann aber nicht? Das ist Aachen. Derzeit gibts auch so eine Corona-Schnellteststation auf dem Aachener Bahnhofsvorplatz. Die ist in so einer Lebkuchen-Hütte drin. Das ist widerlich. Kein Wunder, dass niemand Aachen leiden kann... Corona-Tests in der Lebkuchen-Bude; das möchte man einfach nicht.
Und der zweite Punkt?
Benecke: Glitzer-Weihnachtskarten für alle! Viele dachten vielleicht, das wäre irgendwie humoristisch gemeint. Das ist nicht der Fall. Ich habe tausende davon. Die sind sehr, sehr gut. Die kann man auch noch aufklappen, da ist ein sehr guter Kugelschreiber drin, auf dem steht: „Ich will, was du willst.“ Unsere Erfahrung ist, dass alles, was glitzert, genommen wird. Ich habe bei einer Wahl schon mal Glasperlen verteilt. Die mag jeder, aber für Heinsberg lege ich noch einen drauf: mit Glitzer-Weihnachtskarten.
Und ein weiterer Punkt dreht sich um die Gemeinde Selfkant...
Benecke: Ich werde auf jeden Fall dafür sorgen, dass der Self-Kant nicht weiter das schönste Wappen Nordrhein-Westfalens hat. Hat er nämlich bis jetzt – und Heinsberg das hässlichste und langweiligste. Ich schlage vor, dass wir ein queeres Einhorn im Stadtwappen verwenden oder aber niedliche Katzen, wie das auch schon der örtliche Ratsabgeordnete in Gangelt, Jens Thelen, für die Behörden-Flure vorgeschlagen hat. Das kann die Bevölkerung dann selbst entscheiden. Aber eines davon wird‘s.
Ziel ist es auch, den Selfkant zu verkaufen. Wie viel ist der denn wert?
Benecke: Ich habe mehrere E-Mails seit eurem sehr guten Vorab-Bericht bekommen. Menschen, die in den Niederlanden leben, wollen den Self-Kant nicht. Ich habe daraufhin den Plan entwickelt, ihn einfach an Belgien zu verkaufen. Hauptsache ist, dass die Self-Kantbahn, bei der ich Mitglied bin, weiter in Betrieb bleibt. Da kenne ich auch keinen Humor. Ich bin auch in einer sehr kleinen Region in England Mitglied eines Dampflok-Vereins, sogar lebenslanges Mitglied bei der Severn Valley Railway und natürlich auch bei der Self-Kantbahn (Mitglieds-nummer 1805).
Zurück zum geplanten Verkauf: Ich weiß leider nicht, welche Währung die in Belgien haben. Ich glaube, das weiß niemand. Das frage ich dann einfach mal vor Ort und werde Angebote entgegennehmen. Ich lege auch gerne noch ein paar Glitzer-Perlen drauf. Ich würde dann auf einem Marktplatz in einem nahe gelegenen Städtchen einfach eine Versteigerung machen – und was immer dabei rauskommt, zählt dann. Denn ich will, was alle wollen.
Unterm Strich sind das aber ja alles Punkte, die zügig umzusetzen sind, wenn die Hindernisse der Bürokratiefallen. Welche Perspektiven kannst du den Menschen im Kreis Heinsberg denn bieten?
Benecke: Ob das alles schnell geht oder nicht, wird sich dann zeigen. Wenn ich die Feuer-Peitsche schwingen muss, damits ein bisschen schneller geht, werde ich das natürlich auch machen. Es gibt ja in Berlin den Stadtteil Neukölln, der ursprünglich auf die Stadt Köln, aus der ich ja komme, zurückgeht. Mittlerweile bin ich natürlich waschechter Heinsberger. Ich werde dann perspektivisch einen großen Teil Berlins als Neu-Heinsberg einrichten. Wir können ja wie in „Neukölln“ einen Buchstaben ändern. Dann können wir vielleicht am Ende ein lustiges K oder so statt dem G einfügen. Das können sich die Bürgerinnen und Bürger aus Heinsberg dann überlegen. Aber ich verspreche: Es wird ein neues Heinsberg in Berlin geben, gerne auch in der Nähe des Bundestages. Dann kann ich immer mit den Heinsberger Bürgerinnen und Bürgern spazieren gehen, die natürlich dann da von mir verköstigt und sehr gut unterhalten werden.
Das ist vielleicht ein bisschen zu kurz gedacht. Man könnte ja auch dazu übergehen, den Bundestag einfach in den Kreis Heinsberg zu verschieben, oder?
Benecke: Ja, da hast du völlig recht. Man arbeitet ja nur von dienstags bis donnerstags in Berlin. Das heißt, ich werde also von donnerstags bis dienstags natürlich immer in meiner Datsche in Heinsberg sein. Ich möchte mir aber den Spaß aufrechterhalten, dass ich regelmäßig mit der Self-Kant-Dampflok nach Berlin fahre. Das ist jetzt einfach meine persönliche Neigung, weil ich so gerne Zug fahre. Alle wichtigen Entscheidungen werden aber natürlich nur vor Ort in meiner Datsche getroffen unter den Günstlingen, Wählern und Wählerinnen. Wer mich nicht gewählt hat, hat leider Pech gehabt. Für den sehe ich relativ schwarz. Zu meinen Garten-Partys muss man sich dann als Zu-spät-Wählerin oder -Wähler hinten anstellen.
Wie kam denn der Kontakt zu Heinsberg zustande?
Benecke: Ich bin seit zehn Jahren Landesvorsitzender des größten und mächtigsten PARTEI-Verbandes, nämlich dem von Nordrhein-Westfalen. Und ich bin auch Ehrenvorsitzender zahlreicher kleiner Kreisverbände der Partei Die PARTEI. So gesehen habe ich eigentlich alles schon erreicht. Jetzt ist es aber bei dieser Wahl gewollt, dass Die PARTEI mit einer Mischung systemrelevanter Personen antritt, mit Pflegern und Pflegerinnen und Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Und da war ich im Gespräch. Die Frage war nur: Wo habe ich einen sicheren Listenplatz? Wo macht es Spaß? Es konnten sich alle Kreis- und Stadtverbände bewerben. Heinsberg hat mich überzeugt – und nicht nur mich, sondern auch den gesamten Landesvorstand Nordrhein-Westfalen. Es könnte unter anderem an einem interessanten Paket aus Heinsberg mit zahlreichen Spezereien gelegen haben (zeigt eine Flasche Bier). Aber auch sonst ist es interessant: Es gab ja aus Berlin die Heinsberg-Studie – und das drehen wir nun um: Ich mache eine Heinsberger Berlin-Studie.
Mit vielem Dank an die Redaktion (besonders Interviewer Kevin Teichmann) für die Erlaubnis zur Veröffentlichung 🍀