2015 04 Taetowiermagazin: Tamagotchi-Testkind mit Sailor-Moon-Tattoo
Quelle: Tätowiermagazin 4/2015, Seite 128
Von Mark Benecke
Auf einem Bahnsteig erspähe ich zwei Ladies, die verdächtig nach Cosplayerinnen aussehen. Eine ist Katrin, Moderatorin einer Internet-Radio-sendung – die wir übrigens zusammen machen – mit unübersehbar fettem Sailor-Moon-Tattoo auf dem Arm. Das ist geil, denn ich trage nicht nur stolz mein Sailor-Moon-T-Shirt, sondern auch den Schlüssel von Chibi Moon* – FreundInnen nennen mich daher manchmal »Sailor Doom«. Zeit für ein Bahnsteiggespräch.
Katrin, du hast auf dem Mittelfinger deinen Ehering tätowiert. So hast du immer einen eleganten Vorwand, den Stinkefinger zu zeigen. Auf deinem Arm prangt hingegen die zierliche und überhaupt nicht stinkefingrige Mondprinzessin Sailor Moon.
Sie hat mein ganzes Leben beeinflusst. Ich hab deswegen sogar Japanologie studiert. Klingt blöd, oder?
Nö.
Das kam so: Der beste Kumpel meines Onkels hat vor zirka zwanzig Jahren die Tamagotchis nach Deutschland geholt. Ich war damit das erste deutsche Tamagotchi-Testkind. Und 1994 hatte ich mein allererstes Manga in der Hand – das war »Sailor Moon«.
Das Manga lag der Tamagotchi-Lieferung bei?
Nein, ich hatte explizit nach etwas anderem als immer nur Tamagotchis gefragt. Es gab damals in Deutschland eh nur Mangas wie »Narusaku« und »Bubblegum Crisis«.
Aber selbst von denen wusstest du nichts.
Richtig. Ich kannte nur Biene Maja. Sailor Moon hat mich daher einfach nur weggeflasht. Vor acht Jahren hab ich das Tattoo machen lassen.
Was genau hat dich an Sailor Moon innerlich so ergriffen?
Der Zeichenstil, der komplett anders war als alles, was ich kannte. Und dann dieses kleine Mädchen, das ’ne Heulsuse ist und dann zum magical girl wird und Sachen schafft, die es sonst nicht geschafft hätte.
Und diese Magie hat dein Leben beeinflusst?
Ich hab ab 1999 auf den Conventions in Deutschland mitgeholfen, war bei der »Connichi« und der »Animagic«, habe die Mangatreffen in Hamburg, Frankfurt und Stuttgart aufgebaut. Heute kennt Anime und Manga jeder, aber als wir damals angefangen haben … Ich hab geheult, weil ich Leute getroffen habe, die genauso bescheuert waren wie ich. Das gab mir die Kraft, ein anderes Leben zu führen und ich selbst zu sein.
Nun schleppst du kindlich-idealistische Verhaltensweisen in eine Welt, in der alle wollen, dass du erwachsen bist und von 9 bis 18 Uhr arbeitest. Wie geht das?
Ich bin freiberufl iche Steuerfachangestellte. Natürlich kommt da jedes Mal diese Frage nach einem »ordentlichen Auftreten«. Aber das interessiert mich nicht mehr. Ich bin gepierct, tätowiert, ich hab Tunnel … in das 08/15-Schema einer Steuerfachangestellten passe ich nicht mehr rein. Neulich bekam ich in einem Einstellungsgespräch die Frage gestellt: »Würden Sie für Ihren Traumberuf die Piercings rausnehmen?« Ich hab geantwortet: »Wenn’s mein Traumberuf wäre, dann müsste ich das nicht.«
Recht so! Mögen die Kräfte der schönen Mädchenkriegerinnen der juten Katrin – und auch Euch – beistehen.
Mondstein flieg’ und sieg’: Katrin & Marky »Sailor Doom« Mark