Schule & Autismus (schAUT): Barrieresensible Gestaltung inklusiver Schulen

Lukas Hümpfer-Gerhards, Stephanie Fuhrmann, Sabine Schwager, Jochen Kleres, Jana Kunert, Mark Benecke, Michel Knigge & Vera Moser: 'Schule & Autismus – schAUT': Barrieresensible Gestaltung inklusiver Schulen.  

Verlag White Unicorn, Berlin, ISBN 978-3-982 62-901-8, 2. Auflage, Mai 2024. Grafiken: Verein White Unicorn

BMBF Fördernummer: 01NV2104 / Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Licensed under Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International. 

Hier gibt es das Buch als .pdf

Im Rahmen des BMBF geförderten partizipativen Verbundforschungsprojekts „Diagnose von Barrieren für autistische Schüler:innen in inklusiven Schulen“

‚schAUT‘ (Schule & Autismus), FKZ 01NV3204, 2021-2024 von Goethe-Universität Frankfurt a.M., White Unicorn e.V. und Humboldt-Universität zu Berlin wurde ein Fragebogen zum Einsatz an inklusiven Schulen entwickelt, durch den Barrieren von Schüler:innen abgebildet werden können.

Dieser kann als Grundlage zur Gestaltung inklusiver Schulentwicklungsprozesse genutzt werden. Zum Gelingen will diese Handreichung beitragen, indem praxisorientierte Hinweise gegeben und zentrale Hintergründe erläutert werden.

Neben Informationen zu Autismus, Neurodiversität und inklusiver Schulgestaltung sowie Hinweisen zum Einsatz des Barrierefragebogens, bildet eine spezifische Betrachtung der einzelnen Barrieren das Herzstück dieser Handreichung: Die zentralen Barrieren werden in ihren verschiedenen Facetten für den schulischen Alltag erläutert, mit Erkenntnissen aus der qualitativen Forschung begründet und für die schulische Umsetzung praktisch aufbereitet. 

So werden Anregungen für die konkrete Gestaltung einer barrieresensiblen Schule dargestellt. Zur weiteren Unterstützung wird außerdem der ‚schAUT-Schulentwicklungscheck‘ (schAUT-S) vorgestellt, den Schulen zur Reflexion und Zielsetzung in Prozessen inklusiver Schulentwicklung im Kontext barrieresensibler Gestaltung nutzen ­ können.

Diese Handreichung richtet sich insbesondere an Personen aus der Schulpraxis, die an einer Entwicklung ihrer Schule zu einem barrieresensiblen Lebens- und Lernort interessiert sind.

Vorwort

Autismus ist derzeit in den Industriestaaten eine zunehmend häufiger gestellte Diagnose, welche bisher vor allem im Bereich klinischer Expertise verhandelt

wurde. Diese vesteht, im Sinne der Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation, Autismus als therapeutisch zu behandelnde, individuelle Störung, wovon wir

uns distanzieren, weil wir Autismus aus einer Perspektive der Barrieresensibilität betrachten. 

Andere Forschungsansätze, die sich vor Allem auch der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichten und aus einer neurodiversitätssensiblen Position argumentieren, lenken jedoch den Fokus auf Teilhabemöglichkeiten (Inklusion) und -barrieren. Dies eröffnet für den pädagogischen Kontext hilfreiche Handlungsmöglichkeiten, um ungehindertes Lernen und soziale Teilhabe im Rahmen von Schule zu verwirklichen und aus Barrieren entstehenden Lernbehinderungen entgegenzuwirken. 

Entsprechend entstand auch die vorliegende Handreichung aus dem Forschungsprojekt schAUT mit diesem Anliegen.

Der Neurodiversitätsansatz geht davon aus, dass autistische Personen dazu neigen mehr Informationen aus der Umwelt zu verarbeiten und somit spe

zifische Umweltreize eine stärkere Wirkung als bei neurotypischen Personen haben können. Entsprechend betrachtet er Autismus nicht als „Störung“ sondern als eine quantitative Variation des Intensitätserlebens von bestimmten Reizen. Bezüglich der Wahrnehmung von Barrieren können also keine starren Grenzen zwischen autistischem und nicht-autistischem Erleben gezogen, wohl aber beschreibend Unterschiede in der Intensität der Wahrnehmung und Reaktion auf die Umwelt zwischen autistischen und nicht autistischen Menschen festgestellt werden. 

Das schAUT-Projekt möchte mit dieser Handreichung das Ziel unterstützen, allen Schüler:innen ein größtmögliches Wohlbefinden und eine größtmögliche Teilhabe am schulischen Lernen zu ermöglichen, ohne Personen als ‚unpassend‘ oder ‚gestört‘ zu adressieren. 

Damit reiht sich schAUT in Schulentwicklungsbestrebungen für inklusive Schulen ein, welche die Suche nach Möglichkeiten einer barrieresensible Gestaltung von Teilhabe für alle ins Zentrum rücken. Die Berücksichtigung von Neurodiversität in pädagogischen Kontexten steht dabei in einer Linie mit anderen Heterogenitätsdimensionen wie zum Beispiel der sozialen und ethnischen Herkunft oder dem Geschlecht. Damit eröffnet sich ein sogenanntes ‚weites Inklusionsverständnis‘, welches sich nicht in der Betrachtung von ‚Behinderung‘ erschließt, sondern alle Menschen mit ihren individuellen Bedürfnissen in allseitig förderlicher Weise berücksichtigen möchte.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt schAUT (Förderkennzeichen: 01NV2104) ist ein partizipatorisches Forschungsprojekt. Es entstand maßgeblich auf Initiative von Stephanie Fuhrmann und Dr. Mark Benecke aus dem Verein White Unicorn e.V.. 

Nachdem gemeinsam mit Prof. Dr. Vera Moser, zunächst Humboldt-Universität zu Berlin, jetzt Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Sabine Schwager, Humboldt-Universität zu Berlin, zunächst erste empirische Studien zu Barrieren, die Autist:innen an der gesellschaftlichen Teilhabe hindern können, durchgeführt wurden, erfolgte eine Konkretisierung abgrenzbarer Teilhabebarrieren und ein Rahmenkonzept für ein größeres Forschungsprojekt mit schulischem Bezugsrahmen unter maß geblicher Mitarbeit von Lukas Hümpfer-Gerhards, zunächst Humboldt-Universität zu Berlin, jetzt Goethe-Universität Frankfurt. 

Aus diesen Vorarbeiten konnte schließlich erfolgreich eine Forschungsförderung für das schAUT-Verbundprojekt durch das BMBF für die Förderlinie „Förderbezogene Diagnostik in der inklusiven Bildung“ unter Leitung von Prof. Dr. Michel Knigge, zunächst Humboldt-Universität zu Berlin, jetzt Universität Potsdam, und Vera Moser (GU Frankfurt) eingeworben werden. Im Rahmen der Projektentwicklung wurde das Forscher:innenteam um Dr. Jochen Kleres, sowie später Jana Kunert erweitert (Laufzeit 2021-2024).

Die Forschungsgruppe schAUT verfolgt seit ihrer Entstehung einen partizipatorischen Forschungsansatz, getreu der Losung der UN-Behindertenrechtskon

vention: „Nothing about us without us“. So haben in dem Projekt die autistischen Wissenschaftler:innen Stephanie Fuhrmann und Mark Benecke als fester

Bestandteil des Projektteams mitgearbeitet. Diese ‚Expertise in eigener Sache‘ gilt auch für den Umsetzungsprozess. Das heißt die Erhebung von Teilhabebar rieren nutzt auch das Expertenwissen von (ehemaligen) Schüler:innen über sich selbst, um angemessene Maßnahmen für eine inklusive Schulentwicklung einzuleiten.

In dieser interdisziplinären Zusammenarbeit (White Unicorn e.V., Humboldt Universität zu Berlin, Goethe-Universität Frankfurt) wurde nun erstmalig ein

Instrument für den deutschen Sprachraum entwickelt, mit welchem sich Teil habebarrieren in der Schule für autistische Schüler:innen umfänglich erfassen

lassen. Dies kann in schulischen Eingangsstufen zur Erhebung der Ausgangssituation aller Schüler:innen genutzt werden. Auch ein wiederholter Einsatz ist

möglich, um Entwicklungen der Schüler:innen zu beobachten. 

Darüber hinaus wurde im Laufe des Forschungsprojekts auch ein Raster zu inklusiver Schulentwicklung entwickelt (schAUT-Schulentwicklungscheck), mit dessen Hilfe der Status der inklusiven Schulentwicklung in Bezug auf Barrieresensibilität für (autistische) Schüler:innen selbst eingeschätzt werden kann. Zuletzt entstand die vorliegende praxisorientierte Handreichung, um Ihnen die Nutzung der im Rahmen des schAUT-Projekts entwickelten Materialien zur Identifikation und Behebung von Barrieren zu erleichtern.

Wir danken an dieser Stelle allen bisher teilnehmenden Schulen sowie dem BMBF für die großzügige Forschungsförderung über drei Jahre hinweg und

wünschen allen, die unsere Ergebnisse nun in dem ihnen zugedachten Sinne nutzen, viel Erfolg und gutes Gelingen.

Projektteam schAUT

Berlin und Frankfurt, im Mai 2024


schAUT im BMBF Berlin

Mai 2024


Welt-Autismustag

Humboldt-Gymnasium Berlin


Exklusion macht keinen Sinn

Broschüre


Autism speech (schAUT)

ECER 2024