Quelle: MifüMi 132 (Mitteilungen für Mitglieder der D.O.N.A.L.D.), Seiten 12 bis 13, in: Der Donaldist 146 (2014)
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Lesen wir doch mal selbst nach...: Ira Klinkenbusch
VON MARK BENECKE
Im Schwarzenbacher Museum sind in der Dauer-Ausstellung Filmkommentare einiger Donaldisten zu sehen. Geplant hat das Ira Klinkenbusch für m.o.l.i.t.o.r. - art in motion, (heutzutage muss es ja unbedingt …), die zu diesem Behufe nicht nur das gesamte Barks-Werk im Schnelldurchgang durchpflügte, sondern es zu meiner Freude auch inhaltlich durchdrang. Das Interview fand kurz vor dem Bremer Kongress im zum Studio (ahem) umgebauten Berliner Wohnzimmer von Kameramann Theo Thiessmeier statt.
Mark Benecke: Wir sitzen hier in Berlin-Lichtenberg. Lichtenberg wird offenbar mittlerweile auch gentrifiziert, denn du hast hier einen Rhabarber-Apfelkuchen nebst Cranberry-Schoko-Cookie und Karotte mit Kokos. Wie heißt du?
Ira: Ich bin Ira.
Wie bist du dazu gekommen, die gesamte Barks-Library durchzulesen?
Ich habe einen ganz wunderbaren Job, der mir das ermöglicht: Ich arbeite mit an der Dauerausstellung im Erika-Fuchs-Haus, dessen Eröffnung ansteht. Erika Fuchs, das ist die Frau, die Carl Barks übersetzt hat und auch andere Dinge, aber am wichtigsten natürlich das Entenhausen, in dem die Familie Duck lebt.
Was bedeutet, du arbeitest dort mit? Was machst du da genau?
Ich liefere die Inhalte. Zum Beispiel zur Frage „Was ist in Entenhausen?“ Wir bauen einen Raum, der sieht aus wie Entenhausen. Dazu gibt es natürlich gewisse donaldische Vorarbeiten, die uns sagen „da gibt es das Münster“ und so weiter.
Wir waren aber kritisch und dachten uns, lesen wir doch mal selbst nach. Und dann hab’ ich zum Beispiel geschaut, wie sieht denn Donalds Haus aus, was gibt es dazu? Natürlich den grünen Sessel, der immer dabei ist, und Bücher im Bücherregal, die heißen „Warum?“ oder „Fug und Unfug“. Auf solche Sachen habe ich geachtet, also schöne Details. Die kann man dann im Museum entdecken, auch wenn man darauf, wenn man das LTB liest oder auch Barks, nicht immer achtet.
Und was machen BesucherInnen in der Ausstellung, wenn sie beispielsweise das Buch „Fug und Unfug“ entdecken?
Dann freut man sich zum einen. Und man liest einen informativen Text, in dem steht, was Donald alles so macht mit den Sachen, die er liest. Es gibt aber auch Stationen, an denen man sich beispielsweise einen Aufkleber mitnehmen kann, auf dem ein Titel von dem Fähnlein-Fieselschweif-Anführer drauf ist.
Du entscheidest also, was im Museum ausgestellt, als Information transportiert und was im Shop erhältlich sein wird.
Ja: Kuratieren bedeutet auswählen. Es gibt ja unglaublich viele Informationen, viele tolle Sachen, und letztlich muss man eine Auswahl treffen und überlegen, was für den Besucher und die Besucherin auch spannend ist. An der Konzeption arbeiten aber natürlich viele verschiedene Menschen mit; neben dem m.o.l.i.t.o.r.-Team auch noch die Kuratorinnen Claudia Rücker und Petra Lutz.
Was hat dich für den Job qualifiziert? Was bist du von Beruf?
Ich studiere.
Was denn?
Deutsche Literatur zur Zeit. Ich habe einen Bachelor in Kulturwissenschaft. Meine Bachelorarbeit handelte von einem Comic von Art Spiegelman. Oder von der “Graphic Novel”, obwohl diese Arbeit von Art Spiegelman wirklich keine Graphic Novel ist: In The Shadow Of No Towers [2004]. Das ist eher sowas ganz tolles Collagenhaftes mit unglaublich vielen kleinen Narrativen. Da geht es um die Anschläge auf das World Trade Center und die Auseinandersetzung von Art Spiegelman damit, der das direkt mitbekommen hat.
Du hast im Bachelor eine Post-9/11-Version und fürs Museum eine 50er-Jahre-Version der USA mitbekommen. Wie konntest du das Barks-Fuchs-Universum prozessieren, wenn du aus der Neuzeit kommst mit Art Spiegelman? Musstest du dich geistig erst mal umstellen? Du bist ja in einer ganz anderen Ära gelandet.
Ich hab’ das [die BL] ja auf Deutsch gelesen. Es ist noch etwas ganz anderes, wenn man Barks im Original liest, dazwischen sind Welten. Erika Fuchs hat zum Teil ein etwas piefiges Nachkriegs-Deutschland draus gemacht mit Kleinkrämer-Läden, und Donald sagt ganz weise Dinge zu seinen Neffen. Im amerikanischen Original sprechen die ja alle eine bestimmte Art von Slang, und die Neffen sagen meistens auch gar nicht so pädagogisch sinnvolle Dinge wie sie dann in der deutschen Übersetzung sagen.
Was man von Fuchs liest, ist ja wirklich kein Amerika. Sie hat es nur bei zwei oder drei Comics, die ich kenne, überhaupt nicht geschafft, es ins Deutsche zu übertragen. Da ist zum Beispiel eine Geschichte, in der es um Football geht, für den es nun wirklich keine Entsprechung in der deutschen Nachkriegs-Gesellschaft gibt. Sie hat es dann in ganz witzigem Mitteldeutsch und Mittelenglisch gehalten. Ansonsten schafft sie es, die gesamte Barksvorlage ins Deutschland der 50er/60er und so weiter zu übertragen.
Außer bei Halloween, wo Rosenmontag draus geworden ist.
Oder auch, dass jedes Mal, wenn es um den Valentinstag geht — der war ja, anders als jetzt, noch nicht so richtig angekommen —, Daisy oder einmal auch Dagobert Geburtstag hat und einen Brief mit einem Herzchen von Gundel Gaukeley bekommt. Das wäre eigentlich Valentinstag gewesen, und eigentlich verarschen ihn da Donald und die Neffen und sagen „Oh, du hast Post bekommen zum Valentinstag“. Es ist natürlich was anderes, wenn Dagobert im Deutschen sagt „Ach, ich krieg’ nichts zum Geburtstag“.
Was hast du eigentlich geträumt, nachdem du einen Monat lang die gesamten Berichte durchgelesen hast?
Ich habe wirklich von Donald und Dagobert geträumt, was eigentlich nichts Schlimmes ist. Aber was ganz lustig ist, ist, dass man im Traum auch diese Form übernimmt, so dass man nicht nur inhaltlich davon träumt, sondern auch in diesen Bildern träumt oder sogar in Panels.
Kamst du darin als Comicfigur vor?
Leider nicht. Aber wenn ich mich sehr viel mit irgendetwas befasse, dann träume ich immer in irgendeiner Art davon.
Kannst du das Verfahren empfehlen?
Ja, macht Spaß! Barks lesen ist immer zu empfehlen.
Auch, wenn jemand eine Lebenskrise hat und sein Leben ändern möchte und anstatt Substanzen einzunehmen oder sich ‘ne neue Frisur zu verpassen, das gesamte Barks-Fuchs-Werk liest?
Ist natürlich teuer, wenn man sich das zulegen möchte. Aber vielleicht kommt es auf dasselbe raus, wenn man sonst bewusstseinserweiternde Sachen nehmen möchte. Es macht jedenfalls Spaß und ist auch sprachlich ganz toll.
Das muss ich auch als Literatur- und Kulturwissenschaftlerin sagen, dass natürlich auch die Fuchs-Übersetzung auf ganz viele verschiedene Inhalte Bezug nimmt, sehr häufig auf Werke von Schiller und Goethe, aber auch auf andere witzige Dinge, sodass man sich einfach darüber freuen kann. Es ist ebenso erheiternd und erweiternd, dass man Mechanismen dieses Universums entdeckt und dass es aber auch in andere Richtungen geht, immer offen ist und man alle möglichen Anknüpfungspunkte finden kann.
“Erheiternd und erweiternd” — da kommen wir schon zur letzten Frage. Wie sehr konntest du dich in die forscherische Welt über die Donaldisten einarbeiten? Das war ja in Monatsfrist nicht zusätzlich zu leisten, da würdest du wohl eher ein Jahr dran sitzen, wenn du alleine den DONALDIST komplett durcharbeiten müsstest.
Ja, zumal ich da auch zum Teil die Sprache ein bisschen anstrengend fand. Das ist auch insgesamt in der Comic-Theorie so, die — unabhängig von den Donaldisten — relativ jung ist. Zum Teil sind das Arbeiten, die in einer sehr wissenschaftlichen Sprache agieren — so, als ob man eine vermeintliche Minderwertigkeit des eigenen Beschäftigungsfeldes wettmachen müsste. Wie eine Legitimierungsbestrebung: Dass man in einer möglichst schwer zu lesenden Sprache höchst wissenschaftliche Ausdrücke verwendet. Obwohl das durchaus etwas ist, was geisteswissenschaftliche Bestrebung ausmacht, könnte man das auch sehr viel einfacher sagen.
Da ist es ja natürlich schön, dass der DONALDIST als Fachorgan sich nicht bemüht, irgendetwas zu legitimieren, sondern einfach eintaucht in diese Welt. Wir lassen uns also überraschen im Museum und verraten erst mal nichts weiter. Vielen herzlichen Dank.