Quelle: MifüMi 131 (Mitteilungen für Mitglieder der D.O.N.A.L.D.), 2014, Seiten 5 bis 7
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Dr. Alexandra Hentschel, Leiterin des Erika-Fuchs-Hauses und Alexander Eberl, Bürgermeister von Schwarzenbach
Aus der Serie „Begeisterte, aber nicht voll donaldisierte Donaldisten” (Teil 6)
VON MARK BENECKE
Mark Benecke: Das Museum ist ein Rohbau und es sieht nicht so aus, als ob es demnächst fertig werden würde.
Alexandra Hentschel: Ich hoffe ganz stark, dass das fertig wird. Optimismus gehört dazu. Im Moment hängt alles davon ab, ob wir vor dem Winter das Haus dicht kriegen, dann können wir den weiteren Winter über innen weiter bauen. Wenn es in der nächsten oder übernächsten Woche anfängt zu schneien und zu frieren, dann können wir den Winter über nicht weiterbauen.
Wann ist im Optimalfall Eröffnung?
Alexandra: Im Sommer.
Du bist aus Hamburg freiwillig nach Schwarzenbach gekommen. Schwarzenbach ist eine kleine Stadt mit siebentausend Seelen. Warum wolltest du genau diese Stelle und nicht in Hamburg im Kindermuseum, wo du vorher gearbeitet hast, weitermachen?
Alexandra: Da war ich nicht Leiterin und hatte nicht die volle Stelle.
Du wolltest also den gesellschaftlichen Aufstieg erleben.
Alexandra: Genau. Nein, es waren zwei Sachen: Einerseits die Möglichkeit, den Aufbau eines Museums zu begleiten. Das hat man ja auch nicht allzu oft, einfach eine tolle Chance. Ich habe von einer Kollegin gehört, die am Tag der Eröffnung eines Museums die Stelle angetreten hat, und das war irgendwie ein bisschen blöd. Das andere ist das Thema: Enten. Wie sympathisch kann es noch werden?
Und ihr habt auch hier auf dem Gewässer viele Enten, davon habe ich schon Bilder gemacht.
Alexandra: Enten, schöne Gänse, das ganze Wassergeflügel.
Du hast gesagt, du isst ungerne Tiere, also isst du auch keine Enten?
Alexandra: Sehr selten zumindest.
Ihr habt auch keinen Chinesen in Schwarzenbach, nehme ich an.
Alexandra: Nee, wir haben keinen Chinesen.
Aber viele Polen. -- Alexander, Deine Kinder lesen Donald Duck-Comics. Findest du das begrüßenswert?
Bürgermeister von Schwarzenbach: Absolut. Ich hab’ daheim die alten Schuber von Barks in der Übersetzung von Erika Fuchs.
Diese dicke Ausgabe?
Bürgermeister: Ja, die dicken Ausgaben.
Oho!
Bürgermeister: Die dürfen die Kinder nur unten lesen und unter Aufsicht, aber sie machen es wirklich gerne. Mich freut es. Ich hab selber als Kind Comics gelesen, habe dann über Jahre hinweg natürlich nicht gewusst, dass die in Schwarzenbach übersetzt wurden. Dachte mir auch nichts dabei, dass ich vieles darin [Ortsnamen und ähnliches] zum Teil kenne. Ich habe das wirklich erst neu entdeckt vor einige Jahren, als Andreas Platthaus zum Vortrag in Schwarzenbach war -- mein Erweckungserlebnis.
Wie eine Mauer ist das auf dich gekommen oder bist du gegen diese Mauer gefahren?
Bürgermeister: So ungefähr. 2004 war er zum Vortrag in Schwarzenbach, und da dachte ich "ja, Wahnsinn!". Wenn wir das Thema nicht irgendwie nutzen...
Warst du da schon Bürgermeister?
Bürgermeister: Da war ich grad’ zwei Jahre Bürgermeister.
Wir sind hier in einer klassischen Kegelbahn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen am Anfang sehr empfänglich für das Thema waren.
Bürgermeister: Es ist nach wie vor eine gesunde Skepsis da, eine gemischte Erwartungshaltung. Einerseits schon ein bisschen Stolz, dass da doch eine Persönlichkeit war, die Schwarzenbach und die Umgebung in den Geschichten verewigt hat, und Veranstaltungen wie heute mit dir oder anderen Persönlichkeiten, bei denen man merkt, da scheint etwas mehr dahinter zu stecken.
Aber es ist schon richtig, die Euphorie und die Donaldisierung der Massen -- wir sind auf dem Weg. Da hat der Gerhard [Severin] natürlich viel dazu beigetragen. Oder Frau Dr. Hentschel. Wenn sich jemand von auswärts bewusst für hierher entscheidet, dann regt das schon zum Nachdenken an nach dem Motto "Irgendwas scheint an dem Thema dran zu sein".
Die Medien nehmen das natürlich sehr dankbar auf, und dann überlegen die Leute schon "so ganz spinnert scheint die Idee nicht zu sein“ - das scheint schon eine gewisse Auswirkung zu haben.
Alexandra, wie ist das denn, wenn du hier in die Bäckerei gehst, verstehen die Leute, was du mit dem Museum vorhast beziehungsweise war ihr hier gemeinsam vorhabt? Oder sagen die eher: Das ist die Zug'reiste, die Eing’schmeckte?
Alexandra: Ich glaube, die in den Bäckereien, die mögen mich. Ich trage auf jeden Fall zum Umsatz der hiesigen Bäckereien bei.
Aber verstehen sie, was du machen möchtest? Aus museumspädagogischer Sicht?
Alexandra: Das ist unterschiedlich. Manche sagen, das ist total super, sowas braucht man hier, und dann gibt es andere, die kommen auf einen zu und erklären, warum das auf gar keinen Fall funktionieren wird.
Und warum wird es angeblich auf keinen Fall funktionieren?
Alexandra: Weil es hier noch nie ein Museum gegeben hat und weil der Oberfranke allgemein ... und was-auch-immer. Das basiert auf nicht-fundierten Meinungen.
Alexander, Du hast vorhin von dem Jugendstadtrat oder Jugendparlament hier in Schwarzenbach erzählt. Wie finden denn eigentlich Jugendliche das Museumsprojekt? Interessiert die das?
Bürgermeister: Das ist sehr unterschiedlich. Manche können nichts damit anfangen. Ich hab neulich mal gefragt, ob wir mal einen Vortrag über Erika Fuchs machen sollen und über das Museum, da war die Stimmung doch sehr verhalten.
Ich denke, die Jugendlichen müssen es wirklich erst sehen. Und wenn das, was jetzt schon aus Zeitungen bekannt ist -- dass man Entenhausen erleben kann als Raum -- und die Leute dann drin waren, dann hoffe ich, dass sich keiner der Faszination entziehen kann, auch von den jüngeren Leuten.
Es ist ja mitfinanziert aus Landesmitteln.
Bürgermeister: Sieben oder acht Fördertöpfe haben wir zusammengeschnürt.
Steht ihr deswegen unter irgendwelchem Druck? Müsst ihr eine Mindestanzahl von Besuchern haben?
Bürgermeister: Der Druck ist jetzt nicht da, dass wir eine Quote erfüllen müssen, aber natürlich ist die Erwartung des Stadtrates schon da. Sie haben 10.000 bis 15.000 Besucher im Jahr prognostiziert.
Wenn das deutlich drunter liegen würde, dann wäre natürlich schon die Kritik da, dass die Erwartung eine andere war. Es geht nicht nur um finanzielle Geschichten, sondern auch um die Wirkung, die das Museum in die Stadt hat. Dass zukünftig nicht mehr jedes Schaufenster, wo “Blumen” drüber steht, Heizkörper verkauft, sondern tatsächlich wieder Blumen verkauft werden. Das sind Effekte, die wir uns schon erhoffen.
Auch bei eurer Post dachte ich: Das war mal ein Gemüseladen.
Bürgermeister: Sie sagen selber "Gurkenpost" dazu. Es ist ein Gemüseladen, der nebenbei eine Post betreibt. Die Chefin war früher Postmitarbeiterin, das ist der große Vorteil. Und dann hat sie sich mit einem Obstladen selbstständig gemacht.
Großartig. Wie wird Gerhard [Severin] eigentlich hier im Ort wahrgenommen? Er ist ja extra hierhin gezogen.
Bürgermeister: Er ist der personifizierte Donaldist in Schwarzenbach und so ein bisschen der Exot. Er beteiligt sich unheimlich am öffentlichen Leben. Beim Wiesenfest läuft er natürlich beim Vereinsumzug des Clubs der M.I.L.L.I.A.R.D.Ä.R.e mit, natürlich als Donald, und er ist schon bekannt als bunter Hund. Und dann kommt noch dazu, er ist ja Richter, er hat ja wirklich was Vernünftiges gelernt.
Was hast du denn gelernt?
Bürgermeister: Ich bin Betriebswirt.
Zählt das in der Region auch als was Vernünftiges?
Bürgermeister: Ich denke, das kann man schon darunter verstehen.
Alexandra, du bist ja Akademikerin und Doktorin noch oben drauf -- nicht nur studiert, sondern auch Doktorin. Bringt das auch zusätzliche Anerkennung?
Alexandra: Es bringt auf jeden Fall zusätzliche Befremdung. Ich bin noch nie in meinem Leben so viel betitelt worden wie hier. Dass ich auch ohne Namen als "Frau Doktor" angesprochen wurde, ist mir in Hamburg nie passiert.
Da hat man es ja auch eher mit Understatement.
Alexandra: Auf jeden Fall. Von Museumsseite oder von Seite der Stadt ist das Betiteln vielleicht durchaus gewünscht, das gibt dem Museum eine gewisse Form von Prestige: “Da kommt Frau Dr. Hentschel.” Für mich ist das total komisch. Es baut schon eine gewisse Grenze auf.
Ihr seid ja beide nicht wirklich Barks-Fuchs-fest. Was sagt Gerhard [Severin] dazu?
Alexandra: Für ihn ist das total okay, weil es auch klar ist, dass ich nicht hier bin als die glühende Donaldistin. Als solche bin ich auch nicht im Bewerbungsgespräch aufgetreten und es ist auch klar, dass ich keine Comic-Expertin bin. Ich bin eingestellt worden, um ein Museum zu leiten. Wenn es jetzt um spezielles Fachwissen geht, dann frage ich Gerhard oder stell’ meine Anfrage im Forum der Donaldisten.
Alexander, Du könntest ja ganztags Donaldismus leben: Als Bürgermeister hast du tausende von Steilvorlagen. Reizt dich das nicht?
Bürgermeister: Ich bin schön öfters mit Zylinder aufgetreten und war natürlich bei meinem ersten Kongress der D.O.N.A.L.D. überrascht, als im Forum kursiert ist, “ob er denn mit Zylinder kommt”. Dann wurde sich über meinen Namen lustig gemacht, was ich überhaupt nicht verstand -- ich heiße ja Eberl. In die Rolle muss ich immer schlüpfen, wenn das Fernsehen kommt und dann muss ich immer mit Zylinder auftreten und mit Schärpe am besten.
Zum Sautrog-Rennen fahren wir natürlich als Bürgermeister von Entenhausen und Donald, ich dann im vollen Ornat. Aber ich denke, was die Frau Doktor Hentschel sagt, das ist genau der Punkt: Wir müssen natürlich auch jemanden, der nicht Donaldist ist, die Welt von Entenhausen näher bringen und das Museum schmackhaft machen. Das war die Gratwanderung, und ich denke, die Donaldisten sehen es auch ein: Das soll kein [donaldistisches] Spezial-Museum sein.
Natürlich muss auch ein Donaldist reingehen und sagen: "Wow, das haben sie aber toll gemacht". Aber es muss auch derjenige, der in seiner Kindheit in den Micky-Maus-Heften geblättert hat, genauso sagen: "Es war ein Erlebnis und ich habe die eineinhalb oder zwei Stunden genossen".
Alexandra, letzte Frage: Deine Brille, ist die eine Anspielung auf Erika Fuchs?
Alexandra: Erläuter’ nochmal deine Frage.
Sie konnte ja sehr schlecht sehen und hatte eine auffällige Brille mit einer dicken Umrandung.
Alexandra: Ich trage diese Brille schon seit sehr, sehr vielen Jahren und die hat jetzt schon den dritten Satz Gläser drin, immer an die Dioptrien angepasst, weil ich mich gar nicht von ihr trennen mag. Aber ich bin bisher noch nicht auf die Idee gekommen, dass das ein verbindendes Element zu Erika Fuchs sein könnte.
Wir werden sehen. Bitte behalt’ deine Brille und Alexander, du deinen Zylinder. Prost, bis zum nächsten Mal und danke für Eure Gastfreundschaft, die Piroggen und den Maßkrug.