Quelle: Tätowiermagazin 03/2014, Seite 144
Kolumne mit Mark Benecke
Von Mark Benecke
Bei einer Silvester-Sendung hatte ich das Vergnügen, mit zwei Damen in Bikinis schlammzucatchen: Das kommt davon, wenn man bei Joko und Claas einen Wunsch frei hat. Weil schminken folglich sinnlos war, und sich das Befüllen des Schlammtanks hinzog, machten wir in der Maske Faxen und staunten nicht schlecht: Barbara, die Maskenbildnerin, hat ein Autogramm von Michael Jackson auftätowiert. WTF? Well, das kam so:
»Eine Freundin und ich waren früher die größten Michael-Jackson-Fans«, berichtet Barbara. »Seit ich neun Jahre alt war, ist Michael mein Traummann. Ich glaube, dass ich ihn, wenn ich ihn früher getroffen hätte, von seinen letzten drei Operationen abhalten und ihm die Liebe hätte geben können, die er brauchte.« Barbara weiß, dass das zwar viele Hardcore-Fans glauben, sonst aber niemand. Doch das ist ihr egal. »Die Jungs, mit denen ich zusammen war, haben das eh nie ernst genommen. Die dachten, dass ich Michael eh nie treffen werde.« Weit gefehlt: Sie traf ihren erwünschten Lebenspartner doch. Eines Tages beschlossen die beiden Fans nämlich, Jackson einen Stern zu kaufen. Sie wussten, dass der Star sich das früher gewünscht hatte und tauften das Himmelslicht »Michael's Childhood Dream«. Nachdem sie dank eines Nerds die Adresse des Managements ermittelt hatten, gelangten sie an Teddy. Das war der Mann, der die Fans in den Schlangen vor Hotels und Konzerten mit Fastfood und wärmenden Decken versorgte.
Babs und ihre Freundin reisten nun eine gesamte Deutschland-Tour mit. Teddy musste sie immer wieder vertrösten. Zuletzt saßen die beiden abgebrannt in Berlin. »Wir wollten uns in einer City-Toilette frisch machen und dann endgültig aufgeben«, erinnert sich Babs. Doch als alle Hoffnung vorüber war, wurden sie auf einmal von anderen Fans aufgespürt, die aufgekratzt mitteilten, dass Teddy sie seit einer Stunde suchte. Die zwei durften sogar in Jacksons Suite! »Wenn Michael nichts fragt, sagt ihr auch nichts«, schärften die Bodyguards den beiden ein, »und wenn ihr heult, halten wir sofort den Aufzug an und fahren zurück.« Das war ernst gemeint: Zweimal stoppten die Jungs den Aufzug wirklich, und zweimal ließen sie sich erweichen, doch weiter zu fahren.
»Mit dem süssesten Lächeln der Welt kam Michael dann aus dem Schlafzimmer«, erinnert sich Babs. »Er bedankte sich für den Stern und wir plauderten eine Viertelstunde. Worüber – das weiß ich nicht mehr.« So kam Michael Jackson an seinen Kindheitstraum und ... Moment mal, wie kam Babs nun an das Tattoo?
»In der Nacht, als Michael starb, rief mich ein Freund aus den USA an. Am nächsten Tag habe ich mir eine Gedenkschleife tätowieren lassen und ein paar Tage später seinen Namen. Den hatte Michael mir auf so ein Blatt Hotelpapier geschrieben.«
Gibt es etwas an dieser sehr einseitigen, aber doch wunderschönen Freundschaft, das Babs nervt? »Nein. Michael ist für mich nach wie vor der ultimative Mann. Dass alle Gespräche über ihn in Hautkrankheiten und Pädophilie enden, ist unausweichlich. Die Menschen sind halt dumm. Wenn ich das Tattoo sehe, denke ich an etwas ganz anderes: Dass Michael von seinen eigenen Kindern leider nicht mehr das hatte, was er wollte.«
Und mit diesem Gedanken ging es ab in den Schlamm. Manche Begegnungen haben Langzeitwirkung.
Offen für neue Wahrheiten und Freundschaften:
die Euren – Babs und Mark.