Quelle: Tätowiermagazin 04/2014, Seite 144
Kolumne mit Mark Benecke
Von Mark Benecke
Neulich in Berlin: Jule, bekannt aus der Tattoo Erotica und von vielen Conventions, hat ein Shooting beim exzellenten Modefotografen Patric Böttcher. Wir bauen auf und trinken türkischen Kaffee. An den Wänden hängen fantastische Hochglanzfotos gestylter Damen, fett tätowiert. Vom trashig-alternativen Schnodderschick, wie ich ihn sonst kenne, keine Spur – und das mitten in Berlin, der europäischen Hauptstadt der Freaks.
Jule, du bist ein tätowiertes Model.
Stimmt.
Es klicken dich aber längst nicht so viele Leute an wie beispielsweise Gisele Bündchen.
Damit kannst du mich ja auch nicht vergleichen.
Wieso?
Die sieht hübscher aus und... weiß ich auch nicht.
Du warst aber doch sogar mal bei einer Tattoo-Model-Agentur.
Ja, die haben aber ganz groß geguckt, weil ich so viele Tattoos hatte. Und dann waren ihnen die Piercings im Gesicht nicht recht.
Äh… wie stellen die sich denn bitte Tattoo-Models vor?
Jedenfalls ohne Piercings. Und mit weniger Tattoos.
Patric, beobachtest du sowas auch?
Ja. Tätowierte Models sind seit etwa zwei Jahren immer interessierter an normalen oder kommerzielleren Shootings. Es geht bei Fashion los – die wollen unbedingt in Designerklamotten rein. Sie wollen den sauberen Magazinlook auf ihren Bildern wiedersehen und auch durchaus Beauty-Shootings machen.
Wollen die Models damit einfach Kohle in einem »normalen« Segment verdienen oder werden sie einfach erwachsener, Patric?
Models, die seit Jahren als Tattoo-Model unterwegs sind, werden zwar interessanter, aber nicht jünger. Dann versuchen sie, ein anderes Feld auszuschöpfen. Mit Geldverdienen kann es nicht viel zu tun haben, weil Tattoos im Beautybereich immer noch tabu sind. Das sollte sich jeder gleich aus dem Kopf schlagen. Wenn man eine Werbekampagne startet, geht man zu den normalen und nicht zu den Tattoo-Model-Agenturen.
Auch bei Erotikfotos mit Tätowierten?
Da kriegst du gar kein Geld. Ich hab’ letztes Mal nicht mal die Bilder von mir gekriegt, sondern nur ein Freiexemplar der Zeitschrift.
Argh! Aber es sind doch Millionen von Menschen tätowiert. Wenigstens die müssten doch Tätowierte in Mode, Werbung und Erotik cool fi nden. Oder, Patric?
Tattoos sind ein eigenständiger Markt. Es liegt nicht an den Art-Direktoren oder den Fotografen; Tattoos sind einfach nicht das Schönheitsideal im Beauty- und Werbebereich. Es gab und wird Ausnahmen oder Experimente geben. Die werden aber immer Ausnahmen bleiben. Lexy Hell ist auch mal für Jean Paul Gaultier gelaufen. Das ist äußerst interessant für beide Welten. Aber dass man ein bisschen die Türen öffnen kann, das passiert nur alle drei oder fünf Jahre.
Hölle und Verdammnis – schlechte Aussichten für alle, die Lexy, Victoria, Jule, Sandy, Makani und die übrigen stark tätowierten Ladys gerne öfter in Mode und Werbung sehen würden. Allerdings gibt’s dort eh nur Trends. Da Tattoos aber gefälligst für immer sind, passt’s am Ende doch. Dass man mit Tattoos als Model kein Geld machen kann, ist vielleicht sogar ganz gut: So redet einem wenigstens keiner bei der Motivwahl rein.
Daher weiterhin unmodisch und werbefrei: der Eure – Dr. Doom