Betrunkene Elche und andere Viecher

Quelle: Kölnische Rundschau, 23. Februar 2021, Seite 13

Mark Benecke und Kat Menschik präsentieren ein üppiges „Illustrirtes Thierleben"

VON SUSANNE SCHRAMM

Auf den ersten Blick ist dieses Buch so schön, dass man ganz verzaubert ist. Auf tiefschwarzem Grund tummelt sich eine Vielzahl leuchtend bunt gezeichneter Wesen. Giftgrüne Molche ringeln ihre Körper umeinander, Schmetterlinge breiten ihre prächtig gemusterten Flügel aus, zwei weiße Häschen kuscheln Kopf an Flanke. Ein Koalabär erklettert einen Ast, ein putziger Pudelhund schaut treuherzig, der lila Tintenfisch schwenkt eines seiner benoppten Tentakel ins Bild. Wer genau hinschaut, entdeckt dazwischen Totenköpfe, Maden oder Silberfischchen. Das alles hat etwas Altmodisches, sowie die einst so beliebten Glanzbilder in Poesiealben, wirkt aber zugleich so modern wie Vorlagen für Tattoos. Aber hält der Inhalt das, was die Gestaltung verspricht?

„Laut und lebenslustig"

Wenn der Autor Mark Benecke heißt: ja. In seinem von der preisgekrönten Illustratorin Kat Menschik so anbetungswürdig bebilderten „Thierleben" plaudert der promovierte Biologe über „Beschämte Hunde", über „Betrunkene Elche" oder „Nekrophile Enten". Oder auch über entfleuchte Edelpapageien und ihren neu besiedelten Lebensraum. „Laut, verschwenderisch, lebenslustig, die Parks naschend durchstreifend und in Höhlen brütend — das sind die passenden Bewohner des wilden, verschwenderischen und völlig bekloppten Kölns."

Was so locker-flockig und zudem erfreulich meinungsfreudig daherkommt („Dass schwule Vögel in Zoos oft nicht erwünscht sind, zeigt, dass auch Zoologinnen und Zoologen verbohrt und hartherzig sein können."), ist auf hohem Niveau wissenschaftlich fundiert — was man spätestens dann merkt, wenn man am Ende des Streifzugs durch die faszinierende Welt der Flossen-, Fell- und Flügelträger auf das 15-seitige Literatur- und Quellenverzeichnis stößt.

Fantastische Zeichnungen zu amüsanten, spannenden Geschichten.

Aber auch schon vorher, etwa dann, wenn Benecke aus Berichten über das „glitzern und zauberfeen" der Glühwürmer quer durch die Jahrhunderte zitiert. Genau diese Mischung zeichnet den als Sachverständigen für ungeklärte Todesfälle bekannt gewordenen Kriminal-Biologen aus. In seinem und Menschiks „Illustrirtem Thierleben" kann er damit erneut in schriftlicher Form punkten.

Benecke präsentiert Kurioses wie den mit harten Bandagen ausgetragenen „Kampf ums richtige Pudelfell", Mythisches wie die „Meerfräulein", die Naturkundler Konrad Gesner 1556 zur „Gruppe der lebend gebärenden und mit Lungen atmenden Wasserwesen" zählte. Mitunter dann aber auch ziemlich Ekliges. Das Kapitel über „Haustiere, die Menschen essen" („Hunde beknabbern gerne Gesicht, Schädel und Hände ihres nun toten Menschen") kann einem durchaus die Lust aufs Frühstück vermiesen, und eine Stelle wie „Wenn Sie Schinken essen, essen sie Mumienscheibchen, in aller Regel hergestellt aus vertrockneten Tierbeinmuskeln" den Leser womöglich spontan zum Vegetarier werden lassen. Oder gleich zum Veganer, so wie Benecke, der inzwischen komplett vegan lebt.

Apropos Leben. Ab und zu gibt der populäre Wissenschaftler etwas über sich persönlich preis: „Zu Beginn meiner Doktorarbeit war ich grün hinter den Ohren. Ich kannte noch nicht einmal den Unterschied zwischen Pistole und Revolver." Um später, am Kölner Institut für Rechtsmedizin, sein Interesse für Insekten zu entwickeln, die auf denen lebten, die im Sektionssaal gelandet waren. Was sich zu wahrer Leidenschaft steigerte: „Mit kindlicher Wahllosigkeit" sammelte er alles ein, „was an den Leichen lebte".

Andere, wie die beiden Präparatoren Manfred und Manfred hielten lieber „Abstand zu allem krabbeligen Zeug". Was sie hinterher, angesichts des Ruhms, den „Doktor Made" seinem Faible fürs Fiese verdankt, womöglich bereut haben werden. Dass der Mann, der der festen Überzeugung ist, dass Tiere sich „auf Augenhöhe mit dem Menschen" befinden, auch Werbung in eigener Sache macht — etwa für die kommenden „Thierleben"-Bände —, kann man bei so viel Löblichem durchaus verzeihen. Und sich, wenn die Fortsetzungen auch so gut zu lesen und so wunderbar illustriert sind, schon jetzt darauf freuen.

Kat Menschiks & des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes illustrirtes Thierleben. Galiani, 158 S., 20 Euro.

Die Illustratorin

Vor Mark Benecke hat Kat Menschik schon mit einem anderen Kölner zusammengearbeitet: Für Volker Kutschers „Moabit" fertigte die in Berlin lebende Illustratorin die Abbildungen an. Außerdem schuf sie unter anderem das Gartenbuch „Der goldene Gubber" und illustrierte Klassiker von Edgar Allan Poe oder Alexander Puschkin. (sus)

— Mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung. —


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