2001 SeroNews 6:8: Beneckes Bücherschrank
Quelle:SeroNews 6:8 (Heft I/2001)
Encyclopedia of Forensic Sciences
Beneckes Bücherschrank
Von Mark Benecke
Siegel, Saukko, Knupfer (eds.) Encyclopedia of Forensic Sciences, Academic Press, 2000. 3 Bände, 799,00 USD (ca. 866,00 EUR); Amazon: 680,00 USD (ca. 737,00 EUR)), ISBN 0-12-227215-3
Die in den USA betriebene Forensik als Mischung aus Rechtsmedizin und Kriminalistik wird in der im Juli 2000 fertiggestellten Encyclopedia in drei Bänden und, dem Namen entsprechend, in alphabetisch sortierten Artikeln dargestellt. Das Herausgeber-Gremium, in dem unter anderem die europ”ischen Professoren der Rechtsmedizin İşcan, Mangin, Pollak und Saukko, vor allem aber in den USA und Israel arbeitende KollegInnen vertreten sind, hat dazu fast zweihundert Autoren, in der Regel aus der angloamerikanischen Welt, ausgewählt. Darunter finden sich auch zahlreiche Kriminalisten aus polizeilichen Labors.
Die Encyclopedia widerlegt im Wesentlichen das Vorurteil, dass U.S.-amerikanische Bücher durch ihren Wunsch nach allgemeinem Überblick allzu sehr ins Oberflächliche abgleiten. Praktisch alle Artikel haben Lehrbuch-Charakter. Auch der historische Zusammenhang wird meist nicht außer acht gelassen.
An der Qualität und Streubreite der Beiträge gibt es angesichts der Autorenwahl keine Zweifel. Schlaglichtartig hervorgehoben werden sollen nur einige Besonderheiten der Encyclopedia, die sie für deutschsprachige LeserInnen besonders interessant machen (vergleiche in diesem Zusammenhang auch C.K. Parikhs Textbook of medical jurispudence, forensic medicine and toxicology aus Indien (6. Aufl., 2000, ISBN 81-239-0675-7), das unter anderem einen Abschnitt über Eunuchen enthält).
Die Beiträge zu Accreditation und Adminstration of Forensic Sciences geben einen weltweiten, aktuellen Überblick, der die Tätigkeiten des European Network of Forensic Sciences (ENFSI) ebenso behandelt wie die U.S.-amerikanische American Society of Crime Laboratory Directors (ASCLD), die ein in Europa ungeahnt und wohl auch unnötig strenges Zertifizierungs- und Akkredetierungsprogramm betreibt. Der Abschnitt Serology gibt einen nützlichen Überblick nicht nur über Typisierungsmethoden im Allgemeinen, sondern auch über hierzulande immer seltener verwendete Methoden wie Ouchterlony-Tests oder Blut-Schnell-Tests. Auch eine ausführliche Abhandlung über Bloodstain Pattern Analysis ist korrekt der Serologie zugeordnet. Die DNA-Typisierung selbst wird im Kapitel Deoxyribonucleic Acid auf siebzig Seiten auf dem Stand der Routine-Anwendungen dargestellt. Y-chromosomale Marker werden wohl deshalb nur am Rand erwähnt.
In England, den USA und Kanada als wichtig angesehenen Bestandteilen der Forensik wie Stalking, Wildlife (gemeint ist vor allem Artenschutz und Schmuggel), Engeneering, Dactyloscopy, Lügendetektoren, Serial Killing oder Wood Analysis sind eigene Übersichtartikel eingeräumt. Abschnitte über Ethik sowie grundsätzliche Überlegungen zur Natur von Beweisen sind ebenso enthalten wie Einführungen in die Faserspur-Analyse und Forensische Entomologie. Die Literaturangaben sind dabei wie im übrigen Buch knapp, aber immer noch so weit ausreichend gehalten, dass die Suche nach weiterführender Information in die richtige Richtung gelekt wird.
Das Buch ist durchweg schwarzweiß bebildert, wobei in U.S.-amerikanischer Art auch das Auskämmen von Haaren oder das Auflegen von Deckgläsern auf Objektträgern fotografisch dargestellt wird. Die wenigen Farbtafeln sind vermutlich eher als Illustrationen zu verstehen.
LeserInnen, die eine Aufteilung nach dem Alphabet nicht schätzen, werden durch ein unfangreiches Glossar und Stichwortverzeichnis in jedem der drei Bände entschädigt. Auch online ist die gesamte Encyclopedia zeitweise gratis verfügbar (Passwort-Schutz), und zwar für jeweils mehrere Rechner pro Institut.
All dies, zusammen mit der außerordentlich gelungenen Vereinigung von Rechtsmedizin und wissenschaftlicher Kriminalistik sowie dem Streben nach Übersicht, Anschaulichkeit und einem internationalen Blickwinkel sind große Pluspunkte des Werkes. Die Encyclopedia stellt als englischsprachige Veröffentlichung einen modernen Nachfolger für das Lehrbuch von Tedeschi et al. dar (Forensic Medicine, 1977) und wird zusammen mit dem Handbuch Rechtsmedizin (B. Brinkmann, B. Madea (Hrsg.), in Vorbereitung) zum regelmäßig genutzten Nachschlagewerk der kommenden Generation rechtsmedizinisch-kriminalistisch Arbeitender werden.