1997 Rechtsmedizin: Forensische Nutzbarkeit und Populationsdaten der beiden short tandem repeat-Systeme D8S306 und PKLR
Forensische Nutzbarkeit und Populationsdaten der beiden short tandem repeat-Systeme D8S306 und PKLR
Mark Benecke, Cornelia Schmitt und Michael Staakaus: Rechtsmedizin (1997)
angefertigt am Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln
Abstract
Examining the properties of the two short tandem repeat (STR) loci PKLR
and D8S306 for forensic applications we found both suitable for
identification purposes and paternity cases. Due to its high sensitivity
(lower detection limit) of down to 30 pg, D8S306 should be useful in
stain analysis. The lower detection limit for PKLR is 250 pg. For both
systems, population data of inhabitants of the Rhine area in and around
Köln (in the western part of Germany) show minor differences to the data
given in the original papers; allele distributions shows Hardy-Weinberg
equilibrium as confirmed by the Exact Test. Discriminating power for
any person (stain analysis) is 0.96 for D8S301 and 0.94 for PKLR;
exclusion chance in paternity cases is 0.68 for D8S306 and 0.54 for
PKLR. Combining DNA amplification in a Perkin Elmer 2400 PCR machine
with the Pharmacia A.L.F. Sequencer allowed DNA typing in one day.
Key words
STR, PCR, D8S306, PKLR, DNA typing
Zusammenfassung
Um die statistische Ausschlußwahrscheinlichkeit der PCR-gestützten
DNA-Typisierung durch zusätzliche STR-Systeme weiter zu erhöhen, stellen
wir die zwei neuen Genorte D8S306 und PKLR vor. Besonders das
hochsensitive System D8S306 sollte bei der Bearbeitung von geringen
DNA-Mengen aus Spurenmaterial hilfreich sein. Die von uns gewonnenen
Populationsdaten aus dem Rheinland in und um Köln stehen für beide
Systeme weitgehend in Einklang mit den Daten der
Originalveröffentlichungen; der Exact Test bestätigt, daß die
Allelverteilungen im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht sind.
Die discriminating power liegt für D8S301 bei 0.96 und für PKLR bei
0.94, die exclusion chance für Vaterschaften bei 0.68 für D8S306 und
0.54 für PKLR. Folgt der DNA-Amplifikation mittels der Perkin Elmer
2400-Maschine eine Auftrennung der Produkte auf dem
A.L.F.-Sequenziergerät (Pharmacia), ist die DNA-Typisierung innerhalb
eines Tages möglich.
Schlüsselworte
Short Tandem Repeat, Polymerasekettenreaktion, D8S306, Pyruvatkinase L-Gen (PKLR), DNA-Typisierung
Einleitung
Um die Ausschlußwahrscheinlichkeiten der PCR-gestützten DNA-Typisierung
weiter zu erhöhen, kann neben den häufig benutzten und erprobten
STR-Systemen wie HUMVWA31/A, HUMFES, HUMACTBP2, HUMTHO1 (e.g. [4], [11]
and others) der Einsatz zusätzlicher STR-Systeme nützlich sein (z.B.
HUMDHFRP2/HUMFOLP23 [1]). Neue STR-Systeme können auch bei der
gleichzeitigen Vervielfältigung mehrerer DNA-Loci, der Multiplex-PCR
[4], eigesetzt werden. Besonders bei der Konstruktion von
Multiplexsystemen, bei denen nur ein einziger Fluoreszenzfarbstoff als
Marker der PCR-Produkte dient (z.B. bei der von uns durchgeführten
Detektion mittels des A.L.F. Sequencers, Pharmacia Biotech), werden
STR-Loci benötigt, deren PCR-Produkte sich nicht überlappen.
Aus diesem Grund untersuchten wir Sensitivität, DNA-Mischungen und die
Allelverteilungen in einer westdeutschen Population zweier neuer STR
loci, D8S306 (Chromosom 8p [8]) und PKLR (Chromosom 1q [6]).
Material und Methoden
Von phenolextrahierter DNA einer Zufallsstichprobe von Blutspendern
wurden Verdünnungsreihen (10 ng, 1 ng, 100 pg, 10 pg) einiger Genotypen
hergestellt und mit dem QuantiBlot Human DNA Quantitation Kit (Perkin
Elmer, Foster City, Ca.) und der Schleicher & Schuell Minifold Dot
Blotting unit nach den Originalprotokollen der Hersteller quantifiziert.
Als DNA-Mischungen dienten verschiedene Konzentrationen zweier
Genotypen, die vor der Amplifikation in verschiedenen Verhältissen
miteinander gemischt wurden (Mengen: 200 pg bsi 5 ng; Verhältnisse:
2.2:1, 2.5:1, 3.5:1, 7:1, 11:1, 13.5:1). Zur Bestimmung der
Allelfrequenzen wurde DNA von <100 unverwandten Personen aus dem
Kölner Raum mit Perkin Elmer GeneAmp 2400-Maschinen amplifiziert. Der
PCR- Ansatz (Endvolumen 25 µL) enthielt 10 ng DNA, 37,5 mM MgCl2, 3,75
µM dNTP mix, 50 µM primer each und 1 U Taq-Polymerase (Promega, Madison)
in 1x Promega PCR-Puffer. Mineralöl zur Abdeckung wurde nicht benutzt.
Die Primersequenzen und die Nomenclature der DNA-Loci entsprechen den
Originalveröffentlichungen, der Buchstabe X symbolisiert für
Floureszenzmarkierung. Die Primersequenzen:
D8S306:
5´- AGA GAA AGA GAG ACA GAA AGA GAG A - 3´
5´- X GTT GAA CAG GAG CAG TGA GAG AG - 3´
PKLR:
5´- X GGC TGG TTC TCG TTA CAG - 3´
5´- CTG AGG TCA GGA GTT TGA G - 3´
Die fluoreszenzmarkierten PCR-Produkte (FITC, Pharmacia Biotech,
Uppsala, Sweden) wurden in vertikalen, 0,5 mm dicken 5%
Polyacrylamidgelen (Hydrolink Long Ranger, Serva, Heidelberg,
Deutschland) mit der Laserdetektionseinheit des A.L.F.-Sequencers
(grüner Laser; Pharmacia Biotech) [10] vorgenommen; die Trennstrecke von
der Ladetasche bis zu den Detektoren betrug 19 cm. Laufbedingungen:
1500 V, 38 mA, 34 W, Wassertemperatur in den Thermostatisierplatten: 40
°C, Laserleistung: 2 mW.
Die Darstellung und Auswertung der Fragmente wurde mit der A.L.F.
Fragment Manager-Software durchgeführt. Als Referenzleiter dienten
Referenzfragmente (100 bp + 300 bp-Mix (je 2 µL) und der 50-500 bp
ladder (0,8 µL) - beide von Pharmacia Biotech).
PCR-Bedingungen: 29 Zyklen; PCR program: 30 sec 94°C
(Anfangsdenaturierung); 20 sec 94°C, 20 sec 60,5 °C (D8S306) bzw. 58°C
(PKLR), 50 sec 72°C; 30 sec 72°C (Schlußextension).
Statistik: Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht wurde mittels des exact test
ermittelt [3]1[ask1], der im Softwarepaket "DNA View" (Charles Brenner,
Berkeley, Ca.) integriert ist. Der Chi2-Test wurde nicht benutzt, weil
er eine Gaussverteilung der Allele voraussetzt, die nicht in allen
STR-Systemen gegeben ist. In der Veröffentlichung von Guo & Thompson
finden sich zwei Ungenauigkeiten. In Formel 1 muß k als m gelesen
werden; im Nenner derselben Formel muß das <-Zeichen durch oder
ersetzt werden.
Die discriminating power wurde als 1- (erwartete Phänotypenfrequenz)2
gemäß Fisher 1951 ermittelt (nach [5]). Die expected exclusion chance
für Vaterschaftsfälle wurde wiederum mit dem DNA View- Softwarepaket
errechnet.
Ergebnisse und Diskussion
Für PKLR konnten in der von uns untersuchten Population 18 von 21
rechnerisch möglichen Genotypkombinationen nachgewiesen werden, bei
D8S306 traten 29 von 45 möglichen Genotypen auf. Beide STR-Systeme
lieferten auch mit höheren Mengen von Ausgangs-DNA (bis zu 20 ng) noch
Ergebnisse. Gegenüber der Erstbeschreibungen der primer fanden wir in
der von uns untersuchten Population für PKLR aund D8S306 nur geringe
Abweichungen zu den dort genannten Allelhäufigkeiten (Tabelle 1).
D8S306: Kölner Raum, n=159 Nelson et al. 1994, n=192
Allel 1 (290 bp) 5 2
Allel 2 9 12
Allel 3 16 17
Allel 4 20 15
Allel 5 22 26
Alle 6 17 15
Allel 7 6 7
Allel 8 4 4
Allel 9 0,6 3
Allel 10 (244 bp) 0,3 1
PKLR:
Allel Kölner Raum, n=165 Lenzner et al. 1994, n =82
1 (331 bp) 6 7
2 17 10
3 32 13
4 39 46
5 10 4
6 (316 bp) 11 20
Tab. 2: Allelhäufigkeiten für D8S306 und PKLR (in Prozent)
Die Fluoreszenzmarkierung von D8S306 sollte an der angegebenen Stelle erfolgen, da die Markierung des anderen Stranges zu einer deutlichen slippage-Bande in den PCR-Produkten führt. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die weiteren Eigenschaften der beiden von uns untersuchten STRs.
Lokus
D8S306
PKLR
Kernsequenz
(AAAG)n
(ATT)n
Repeatstruktur
Tetranukleotid-repeat
Trinukleotid-repeat
Länge (in bp)*
244-290
316-331
Allele
10
6
Heterozygosität
(Angabe in Originalveröffentlichung)
79%
(78%)
76%
(72%)
discriminating power für beliebige Personen (Spurenanalyse)
0.96
0.94
exclusion chance in Vaterschaftsfällen
0.68
0.54
Untere Detektionsgrenze (Sensitivität) für Heterozygoten
30 pg
250 pg
Unterschiedbare DNA-Mischungen (Verhältnisangaben)
2:1, 3.5:1, 2:1, 3.5:1, 7:1
Hardy-Weinberg- Gleichgewicht (p-Wert)
+
(0.29054)
+
(0.00035)
Tabelle 2: Eigenschaften der STR-Systeme PKLR und D8S306
*: aus den Originalveröffentlichungen übernommen
Die beiden STR-Systeme D8S306 und PKLR können in der forensischen
DNA-Diagnostik sowie bei Vaterschaftsuntersuchungen eine hilfreiche
Ergänzung zu den Untersuchungen mit den Standard-STRs bieten. Besonders
D8S306 ist wegen seiner hohen Sensitivität sowohl in Spurenfällen als
auch bei der Konstruktion von Multiplexsystemen [3] gut einsetzbar.
Literatur
1.Benecke M, Prinz M, Schmitt C: Forensic efficiency and german population data for the tetrameric STR polymorphism DHFRP2 (HUMFOLP23). Advances in Forensic Haemogenetics 6, 229-231
2. Benecke, M, Schmitt C, Staak M., Development of a fast new STR triplex system for identification of urine samples. Proceedings of the First European Symposium on Human Identification, Toulouse, 29.-31.5.1996 (Promega Corp.), in Druck
3.Guo SW, Thompson EA (1992) Performing the exact test of Hardy-Weinberg proportion for multiple alleles. Biometrics 48: 361-372
4.Kimpton CP, Gill P, Walton A, Urquhart A, Millican ES, Adams M
(1993) Automated DNA profiling employing multiplex amplification of
short tandem repeat loci. PCR Meth Appl 3: 13-22
5.Klintschar M (1995) Validation of the STR system FES/FPS for
forensic purposes in an austrian population sample. Int J Leg Med 108:
162-164
6.Lenzner C, Jacobasch G, Reis A, Thiele B, Nürnberg P (1994)
Trinucleotide repeat polymorphism at the PKLR locus. Hum Mol Gen 3: 523
7.Lygo JE, Johnson PE, Holdaway DJ, Woodroffe S, Whitaker JP,
Clayton TM, Kimpton CP, Gill P(1992) The validation of short tandem
repeat (STR) loci for use in forensic casework. In J Leg Med 107: 77-89
8.Nelson L, Riley R, Lu J, Robertson M, Ward K (1993)
Tetranucleotide repeat polymorphism at the D8S306 locus. Hum Mol Gen 2:
1984
9.Schmitt C, Schmutzler A, Prinz M, Staak M (1994) High sensitive
DNA typing approaches for the analysis of forensic evidence: camparison
of nested variable number of tandem repeats (VNTR) amplification and a
short tandem repeats (STR) polymorphism. For Sci Int 66: 129-141
10.Schmitt C, Prinz M (1996) Anwendbarkeit eines
DNA-Sequenzierautomaten für die PCR-Typisierung von forensischen Spuren.
Rechtsmedizin 6: 45-48
11.Wiegand P, Budowle B, Rand S, Brinkmann B (1993) Forensic
validation of the STR systems SE33 and TC11. Int J Leg Med 105: 315-320
Danksagung
MB wird vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften (BISP), Köln,
unterstützt (Projektnummer VF 0407/08/03/95). MB dankt Dr. Plewe (Math.
Inst. d. Univ. zu Köln), Dr. Brenner (Berkeley, Ca.) und Dr. Klintschar
(Inst. f. gerichtl. Med. der Univ. Graz) für die Diskussion
mathematischer Fragen. Dr. Edelmann (Inst. f. gerichtl. Med. d. Univ.
Leipzig) hat freundlicherweise die exact test-Werte und die expected
exclusion chance in Vaterschaftfällen berechnet.
Annnotation: In Guo & Thompsons original paper two minor errors were detected. In fomula (1) k is m; in the nominator of the same formula, < has to be substituted by "greater than/equal" or "lesser than/equal".