Plötzlich passt alles zusammen (Tätowiermagazin)

Quelle: Tätowiermagazin 03/2013, Seite 144
Kolumne mit Mark Benecke

Von Mark Benecke

Sie haben Post! »Hey, Mark! Die Lady war wirklich sehr nett und cool und so hab’ ich mein altes Harley-Motiv um ’ne Flagge erweitern lassen. Und das für schlappe 40 Dollar!«. So mailte mir etwas kryptisch der prominente Donaldist Rainer Bechtel von seiner USA-Reise. Angehangen hatte er das Foto einer frisch gestochenen U.S.-Flagge – sicher eines der am wenigsten nachgefragten Motive unter Deutschen. Huch?

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Beim ersten Donaldisten-Stammtisch nach seiner Rückkehr (ich habe das Logo dieses Stammtisches auftätowiert, aber das ist ein anderes Thema) berichtete Rainer den Rest der Völker verbindenden Geschichte: »Der Tattoo- Laden ›Mink Ink‹ ist in Kingman, Arizona. Das liegt an der echt coolen, historischen Route 66. Ich bin dort mit dem Mietauto entlang gebraust, einem Chevy. Mit so einer Karre würdest du in Köln überhaupt keinen Parkplatz kriegen ... sie ist fünf Meter sechzig lang. Meine Frau und ich sind die Strecke einige hundert Meilen lang gefahren, und sie fasziniert mich total.

In Kingman stehen alte Autowracks, das hat was. Man kann Oldtimer sehen, und es gibt ein paar alte Burger-Restaurants mit vielen Neonreklamen. Ich finde das schön und fühle mich nicht als Tourist, der durch ’ne Kirmes fährt, sondern die Leute dort leben das. Im Motel sind sie an dir wirklich interessiert. Sie fragen dich, woher du kommst, obwohl man ja eigentlich von Amerikanern gar nicht meint, dass sie über ihren Tellerrand gucken. Wir haben sogar abends am Lagerfeuer gesessen, und ich habe dabei gemerkt: Die haben alles in ihrem Riesenland, die verschiedensten Naturereignisse, Skigebiete und Wüsten, die müssen gar nicht raus um was zu erleben.

Jedenfalls haben wir das kleine Tattoo-Studio gefunden, zwischen einem Friseur und einem Bäcker, mit zwei netten Mädels, den Tätowiererinnen. Eine davon heißt Rebecca, just called ›Becca‹. Sie ist eine sehr Liebe, gerade zwanzig. Zuerst hat sie eine Frisörlehre gemacht und gekellnert, dann wurde sie Tattoo-Lady. Sie bildet sich nebenbei fort im Bereich Kunstmalerei und hat auch einige Gemälde an den Wänden des Shops hängen.

Mit den beiden hab‘ ich also ein bisschen gequatscht. Ich hab’ ja hier auf dem Arm ein ganz genau zwanzig Jahre altes Harley-Tattoo. Das hatte ’mal jemand auf einer Biker-Party gestochen. Damals hatte ich noch einen Chopper, eine Lederkutte und alles.

Und so passte auf einmal alles zusammen. Wir dachten, das alte Tattoo kann man ein bisschen verschönern beziehungsweise ergänzen durch eine U.S.-Flagge. Da ich sowieso total verrückt speziell nach dem Südwesten der USA bin – ich könnte mir sogar vorstellen, dort mal zu leben, zumindest einen Teil des Jahres über mit monatsweisen Abstechern nach Kölle – ist mir das rot-weiß-blaue Fähnchen sehr sympathisch. Beim nächsten Besuch reise ich mit kurzärmligem T-Shirt ein und lasse mich überraschen, ob ich überhaupt noch meinen Reisepass vorzeigen muss ... hehehe.«

Völkerverständigung ist sehr gut, Ehe-Verständigung ist besser. Rainers Frau hat daher auch ein Souvenir bekommen. Als Anhänger für ihr Kettchen einen amerikanischen Jeep. Hail Route 66!

Auf langen Straßen in den Sonnenuntergang – Der eure – Marky Mark