Der etwas andere Aufklärer

QUELLE: Elke Enders, NORDKURIER, 28. Juni 2018, Seite 21

Für den Kriminal-Biologen Mark Benecke hat der Tod keinen Schrecken. Viele Menschen hören ihm gebannt zu, wenn er in Funk und Fernsehen mit scharfem Verstand Täterprofile erstellt oder Todesursachen analysiert. Lars Gerulat und Elke Enders haben Mark Benecke getroffen und mit ihm über Leben und Tod gesprochen. Das Gespräch erscheint im neuen Buch „Kriminalakte Tatort Nachbarschaft“ Verlag mecklenbook. Einen Auszug können Sie hier bereits lesen.

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Warum ist der Tod an sich so populär?

Der Tod ist, glaube ich, gar nicht so populär. Also er trifft ja sowieso jeden, ob populär oder nicht. Er ist eher etwas, wo Menschen sich ein bisschen dran reiben. Wie eben auch an Politik, die kommt zu einem nach Hause. Ob man will oder nicht. Keine Ahnung, sei es jetzt über Steuergesetzgebung, Kindergeld, ob die Straße geteert wird oder nicht. Das sind ja alles politische Entscheidun- gen. Und das weiß natürlich jeder. Der Tod kommt auch nach Hause, ins Krankenhaus oder in die Straßenbahn oder ins Theater, oder wo er einen gerade abholt. 

Ich denke, das sind dann Sachen, bei denen man zwangsläufig drauf gestoßen wird. Bei allen anderen kann man sich ablenken. Da kann man sagen: „Ach, ist mir egal. Kümmere ich mich nicht drum. Not in der Welt, die Amphibien und Insekten sterben aus, mit dem und dem will ich nichts zu tun haben.“ Das kann man dann von sich weghalten, aber Politik und den Tod kannst du halt nur schwer von dir weghalten. Also eigentlich gar nicht. 

Ob er dann populär ist, ist eine andere Frage. Er rückt aber zwangsläufig ins Bewusstsein.

Wie viel Eisen haben wir im Blut? So einen Teelöffel voll? 

Keine Ahnung, aber ich weiß, dass es nicht auf der Erde entstanden ist. Und wenn dann alle Leute immer sagen: „Ih, Fäulnis ist so ekelig!“, dann sage ich immer, „Ja, aber ohne Fäulnis wird es ja nicht wiederverwertet.“ Der Stickstoff, den du jetzt in dir hast, der ist ja auch schon mehrmals, oder die Hälfte davon ungefähr, ist ja auch durch „landwirtschaftliche Prozesse“ – um es jetzt mal freundlich zu formulieren – hindurch gegangen. Und wenn es keine Fäulnis gäbe, dann gäbe es dich jetzt auch nicht.

Ich habe mal von Mönchen gehört, die sich in Ecken setzen und ins Nirwana gehen und fast 300 Jahre später noch genauso aussehen. Wie machen die das dann?

Das ist ja ein Märchen. Der Itigelow, der Hambo Lama aus so einem sibirischen Kloster, der wird alle 20 Jahre mal wieder rausgekramt. Der saß in so einer Kiste, in einer Ge- betskiste, die von manchen Mönchen benutzt wird, um nicht einzuschlafen. Es gibt ja da so welche, bei denen man sich auf den Rücken schlagen lassen kann, während man meditiert. Oder es gibt halt so ungemütliche Kisten, in denen man nicht einschlafen kann, damit man weiter meditiert. 

Und da hat der damals gesagt: „Ja, ich bleibe da jetzt drin sitzen, und dann könnt ihr mich rausholen. Dann werdet ihr sehen, mein Körper ist erhalten als Zeichen der Energie oder göttlichen Kraft“. Das ist ja einfach so eine Mischung aus Wachsleiche und Vertrocknung. 

Mit der Leiche habe ich bestimmt schon seit 30 Jahren zu tun, weil: Immer wieder, wenn nichts los ist, kommt das hoch. Oder, wenn die im örtlichen Kloster das ein bisschen hoch pushen. Oder ein Fernsehsender mal wieder die Sau da durchs Dorf treibt. Das ist auch eine super Geschichte, muss man sagen. Denn Käfer gehen nicht ran, die würden die Mumie sonst zersetzen. 

Ganz am Anfang, als sie den das erste Mal aus der Kiste geholt haben, sah man noch ganz viel Fettwachs. Das entsteht nun mal im Kühlen. Da war es halt kühl in Sibirien. Jetzt, wo er sauber gemacht ist, sieht man die Vertrocknung, also diese rötlich-braune, dunkelbraune Schinkenfarbe. Schinken ist ja eine Leiche, eine vertrocknete, und das ist schon spannend.

Worin sehen Sie Ihre Haupt- aufgabe, darin knifflige Fälle aufzuklären oder darin, vor allem auch zu unterhalten und an die Materie heranzuführen?

Ich habe als Kind – für meinen Geschmack – zu oft gehört: „keine Ahnung“, obwohl ich gemerkt habe, dass die Lösung doch bekannt, aber unangenehm war. In den Worten von Michael Kunze (‚Tanz der Vampire‘, Prof. Abronsius): „Wenn in mir der Verdacht erwacht, es wird mir was verschwiegen, versuche ich mit aller Macht, die Wahrheit rauszukriegen. Schon in der Wiege fing ich an, mein Spielzeug aufzubiegen.“

Was ist eigentlich ein Ausschlussverfahren und wann kommt es vordergründig zum Einsatz?

Auch das hat jemand anders besser gesagt als ich es könnte, nämlich Conan Doyle: „Once you eliminate the impossible, whatever remains, no matter how improbable, must be the truth.“ (Anmerkung der Redaktion: „Sobald du das Unmögliche beseitigst, muss alles andere, wenn es auch noch so un- wahrscheinlich erscheint, die Wahrheit sein.“)

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e.enders@1punkt7.de