Quelle: Express Köln, 21. Jan. 2021, https://www.express.de/koeln/ard-serie--charité--koelner--herr-der-maden----mark-benecke-mit-wichtiger-rolle-37954164
Der Kölner Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke wird in seiner Funktion als Spurenleser bei Kriminalfällen gerne als „Herr der Maden“ bezeichnet. Da liegt es auf der Hand, dass er sich auch gut mit dem „Herr der Leichen“ auskennt – dem bekannten Charité-Gerichtsmediziner Otto Prokop.
In der dritten Staffel der ARD-Serie: „Charité“ hat der Kölner Experte das Film-Team beim Dreh immer wieder beraten.
„Charité“: ARD-Serie läuft im Januar immer dienstags im TV
Kölner Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke hat Serienmacher hinter den Kulissen beraten
Vor allem zur Figur des Gerichtsmediziners Otto Prokop war er als „Charité“-Experte hilfreich und gefragt
„Charité“ in der ARD zeigt Klinik-Alltag mitten im DDR-Grenzgebiet
Wie schon Robert Koch haben viele weitere Charité-Ärzte im Laufe der Zeit bahnbrechende Entdeckungen gemacht, Nobelpreise gewonnen und Geschichte geschrieben.
Die ARD-Serie zeigt in der dritten Staffel, wie 1961 der Bau der Berliner Mauer die Klinik zum Grenzgebiet werden ließ und damit auch die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte einschränkte.
„Charité“ in der ARD: Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke hat Serien-Macher beraten
Die Obduktionen des Star-Gerichtsmediziners Otto Prokop haben damals eine wichtige Rolle gespielt und zur Klärung von Kriminalfällen beigetragen, deren Ergebnisse er in einem Atlas der Gerichtsmedizin zusammenstellte.
Auch die ersten Mauertoten lagen damals auf Prokops Tisch. Dr. Mark Benecke hat die Biographie über Otto Prokop verfasst und ist daher Experte für den „Herr der Leichen.“
Wie sieht die Beratung für eine historische ARD-Serie wie „Charité“ bei Ihnen aus, wonach fragen die Film-Teams?
Das Team hat sich gemeldet, wenn ihnen etwas aus der Biografie interessant erschien. Sie waren aber vorsichtig, damit ich nicht errate, was genau sie vorhaben, glaube ich zumindest. Offenbar gibt's beim Film öfter Ideenklau (lacht).
Seit wann steht der „Atlas der gerichtlichen Medizin“ von Otto Prokop bei Ihnen im Regal und welche Bedeutung hat das Buch heute noch?
Die westdeutsche Version habe ich mir wirklich vom Mund abgespart, wohl vor etwa zwanzig Jahren. Auch die DDR-Ausgabe soll heute gebraucht über 1000 Euro kosten.
Mittlerweile habe ich auch die Ost-Ausgabe, weil viele der damaligen MfS-Leute und Kriminalist:innen jetzt alt sind und deren Familien mit den im Buch zahlreich vertretenen Ertrunkenen, Verschütteten, Hängenden und tödlichen Sex-Unfällen sowie dem toten Hellseher Hanussen nichts anfangen können. Es ist ja ein reines Foto-Buch, und die Bilder möchten sie aus dem Wohnzimmer und Leben verbannen.
Sie sind der Biograph von Otto Prokop, der in „Charité“ eine der Hauptrollen spielt. Was hat Sie an ihm besonders beeindruckt?
Dass er unheimlich viel gearbeitet hat und sich auch um angebliche Randgebiete gekümmert hat. Er hat die Blutgruppenkunde so weit entwickelt, dass auf der letzten Weihnachtskarte aus seinem Institut, direkt nach dem Mauerfall, die genetischen Fingerabdrücke aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sehen waren… die konnten damals noch nicht zu viele darstellen.
Ich fand es auch lustig, dass er dank seines Kampfes gegen übersinnlichen Unsinn Zaubertricks kannte und beispielsweise Stasi-Leute geärgert hat, indem er ihnen vor versammelter Mannschaft „geheime“ Dinge oder persönliche Daten „von den Augen ablesen“ konnte. Sein bester Freund, der Kölner Prof. Gerd Uhlenbruck, war mein Labor-Nachbar an der Uni Köln, und ich finde auch die Freundschaft der beiden über den kalten Krieg hinweg — mit regelmäßigen gegenseitigen Besuchen — sehr stark.
Was war in Ihren Augen Otto Prokops spannendster Fall?
Gab es nicht, weil er wie ich alle Fälle mit der gleichen Neugier bearbeitete und wenn möglich, eine neue Labor-Technik dazu ertüftelte. Für uns sind alle Fälle gleich. Prokop hat sich höchstens über Kolleginnen und Kollegen aufgeregt, wenn sie Murx gebaut haben, dann wurde es auch aus anderen Gründen spannend und ging auch schon mal vor Gericht.
Welche Bedeutung hat die Arbeit des „Charité“-Gerichtsmediziners für Ihre tägliche Arbeit als Kölner Kriminalbiologe?
Unter anderem habe ich habe ihm und Prof. Uhlenbruck schon vor vielen Jahren mein Buch über Kriminalbiologie gewidmet, das gestern seine 14. Auflage erlebt hat. Das hat beide sehr gefreut, weil der Großteil ihrer fantastischen Forschungen „verschütt jejange“ ist. Ich arbeite immer im offenen, ernsten Geist der Beiden an Kriminalfällen.
Außerdem hängt das Labor-Schild von Prokops Institut an unserer Laborwand und mahnt die Studierenden, dass Welt und Fälle oft seltsame Wegen nehmen, die wir nur durch Messungen, aber nicht durch Denken verstehen.
Gibt es einen Arbeitsauflauf in der Gerichtsmedizin oder bei Ihnen in der Kriminalbiologie, der auch 2021 noch zum Standard gehört oder hat sich hier seit Prokops Zeit in der Charité zu viel verändert?
Die Blutgruppenkunde, heute genetische Fingerabdrücke, kommt mittlerweile mit einer einzigen Hautschuppe, manchmal sogar einer einzelnen Zelle aus. Und vieles im Labor lässt sich ohne menschliche Fehler durch Roboter erledigen.
Wir können mittlerweile auch Verwandtschafts-Zusammenhänge über die letzten zehn, hundert oder tausend Jahre über die mütterlichen oder väterlichen Linien und sehr große Stammbäume mit Millionen von freiwilligen Daten-Spenderinnen und Spender erstellen.
Herr Benecke, wie sieht Ihr Corona-Alltag derzeit aus?
Viele Fälle...Die Menschen graben im wahrsten Sinne des Wortes Leichen aus, etwa ihre in der DDR verschollenen Kinder. Ein Bekannter von mir baut derzeit Mumien aus Pappmaché, die völlig echt aussehen und verkauft mir Teile davon. Es kommen täglich sonst eher ungewohnte Anfragen...
Die Biographie von Mark Benecke: „Mark Benecke ermittelt: Leben und Fälle des Rechtsmediziners Otto Prokop“ ist 2017 im Buchvolk Verlag erschienen.
Die ARD-Serie „Charité“ läuft aktuell dienstags um 20.15 Uhr und die neuen Folgen sind jederzeit in der ARD-Mediathek abrufbar.