Professor Kockels authentische Fälle

Buchrezension: Friedrich Herber (2000/2003) Sezierte Wahrheit. Professor Kockels authentische Fälle

Quelle: SeroNews 8(3):99 (2003)

Friedrich Herber (2000/2003) Sezierte Wahrheit. Professor Kockels authentische Fälle

Militzke, ISBN 3-86189-602-8, TB € 7,90

Von Mark Benecke

Pitavals sind Sammlungen von wahren Kriminal-Geschichten, und besonders viele davon hat der Militzke-Verlag im Programm. Wirklich herausragend sind derzeit Professor Kockels authentische Fälle, die der Rechtsmediziner Friedrich Herber zusammengetragen hat.

Wie schon in seinem sehr guten Buch Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz (SeroNews 7 (3/2002):78) hat Herber auch diesmal viel Mühe verwendet und sich nicht nur durch die Akten gewühlt, sondern auch mit den Enkeln von Richard Kockel zusammengesetzt. Das Buch zeigt wegen des echten Durchblicks, den der Autor hat, wie weit sich das Wirken und Denken von RechtsmedizinerInnen spannend kann, wenn diese mutig durch die Welt schreiten.

Wann (soll) man Hefe als Nahrungs-Ergänzung für Gefangene benutzen (1916)? "Nein, nicht spruchreif." Ist es möglich, dass sich ein Spediteur beim Verladen des drei Zentner schweren Zirkus-Riesen Toni Mochty verhoben hat und ein drei Tage später einsetzendes Nieren-Bluten samt Hinke-Bein erklärt? Jawohl, das ist möglich.

Doch auch das normale rechtsmedizinische Spektrum ist vertreten, sei es eine mögliche Selbst-Verletzung, Erschießungen, Erdrosseln oder Identifizierungen von Leichen. Spannend sind aber die Gründe, die zu den Taten führten: Der Erschossene hatte versucht, Kartoffeln klauen, die Erdrosselte war Schwanger und wollte "aus Angst vor Vater und Mutter" nicht mehr Leben und die angebliche Selbst-Verletzung war ein Unfall, hervorgerufen durch einen Mäh-Drescher. Die Zeiten ändern sich eben.

Das gilt auch für Tötungen durch Rasier-Messer (nicht Klingen; gemeint sind die aufklappbaren Dinger). In einem wunderschönen Fall konnte Kockel beispielsweise nachweisen, dass die Witwe Walda Weber wirklich durch Hals-Schnitt gestorben war. Obwohl ihre Leiche vom Täter teils verbrannt worden war und zudem exhumiert werden musste, konnte der Rechtsmediziner nicht nur einen feinen Schnitt auf der Schildknorpel-Platte feststellen. Er schaute sich auch die in den verbliebenen Kleider-Resten getrocknete Flüssigkeit unter dem Mikroskop an. Die sehr vielen rote Blut-Körperchen verrieten, dass es sich nicht um den Inhalt von möglichen Brand-Blasen, sondern wirklich um Blut gehandelt haben musste. Und so geht es immer weiter…

Da erstens sparsame, dafür aber sinnvolle Abbildungen Herbers Text abrunden, zweites alles in diesem Buch inklusive des exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnisses stimmt, und da Kockel drittens ein Herz für die Kriminalistik hatte: Buch-Tipp des SeroNews-Quartals.


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