Auf Spurensuche: Donald – Ein Fall für Mark Benecke

Quelle: DONALD: Comics, Fakten, Interviews, Kurioses. 90 Jahre aus dem Leben eines Superstars. Egmont Ehapa, Berlin, Mai 2024, S. 92–93

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Ein ungewöhnlicher Blick auf die Details, findige Feststellungen und präzise sowie wortgewandte Schlüsse – ein Gespräch mit dem Duck-Kenner und Kriminalbiologen Mark Benecke über Donald…

Ohne großes Federlesen, was löste deine Begeisterung für Donald Duck aus?

Als Kind musste ich in Kur, weil ich Husten hatte. Meine Mutter hatte mir einen Sonderband von Donald Duck und Micky als Überraschung in den Koffer gelegt. Die Bilder im Band sind in ungewöhnlichem Querformat angeordnet. Darin waren Klassiker wie „Familie Duck auf Nordpolfahrt“ mit Gustav Gans aus dem Jahr 1949 und „Donald Duck und die Atomspione“ (1950). Letztere Geschichte spielt in Pampelmusa und an der Riviera. Madame Triple-X ist eine zauberhafte Agentin und Donald muss sich als Stierkämpfer bewähren. Das alles war eine schöne Abwechslung zum Kurprogramm.

Die schöne Comicsammlung musste ich zuletzt neu binden lassen, weil der Buchrücken nach fünfundvierzig Jahren nachgegeben hat. Das fest gebundene 'Comic Book' steht bis heute neben meinem Bett.

Du bist nicht nur Kriminalbiologe und Vorsitzender der Deutschen Dracula-Gesellschaft, sondern auch Donaldist … und als solcher kannst du uns sicher am besten erklären, was Donaldismus ist?

Der Disney-Zeichner Carl Barks – vor seiner Enttarnung nur als „der gute Zeichner“ bekannt – hat uns alles Entscheidende aus Entenhausen überliefert. Die deutsche Übersetzerin Dr. Erika Fuchs ist für die textlichen Wahrheiten verantwortlich. In dem spätestens seit dem Tod der beiden geschlossenen Universum sind so viele Informationen enthalten, dass sich fast alles über Stella Anatium* festlegen und ableiten lässt: die Stromspannung in Entenhausen anhand der dargestellten Verkabelungen – oder wie sich Radioaktivität auf Anatide, also entenartige Lebensformen, auswirkt.

(* Anmerkung der Redaktion: der Stern/die Welt der Enten)

Kannst du uns ein paar besonders erwähnenswerte Studien des Donaldismus und ihre Ergebnisse nennen?

Da es so viele hervorragende und oft auch mit dem Professor-Püstele-Preis ausgezeichnete donaldisch-donaldistische Forscherinnen und Forscher gibt, die oft auch Präsidente oder Präsidentin der D.O.N.A.L.D. sind oder waren, möchte ich keine Personen herauspicken.

Ein neuerer, langer Streit drehte sich aber um die Frage, ob Tick, Trick und Track Mehrfach-Wesen sind oder nicht. Hierzu gab es Beiträge von bestechender Einfalt und verblüffendem Scharfsinn. Das Thema ist nicht erschöpft, auch wenn es erschöpfend sein kann.

Eine ältere, sogar jahrzehntealte Forschungsrichtung im Donaldismus dreht sich um die Frage, wo die gelegentlich sichtbaren Zähne der Anatiden (Anm. d. Redaktion: Entenartigen) herkommen. Liegen sie in den nach dem Entdecker so genannten Fehlmannschen (Schnabel-) Taschen? Oder besteht gar der ganze Körper der Ducks und Verwandter aus einem veränderbaren Stoff, dem Morphotel? Sicher ist, dass Donald eine Zahnbürste verwendet.

Neue donaldische Forschungen haben das Periodensystem der Elemente im Anaversum beschrieben und aufgeklärt. Dort kommen neben Platin, Neon und Eisen auch Gibsnixium, Ratmalium und Nixissium vor. Auch über muskelkraftgetriebene Wasserkleinfahrzeuge sowie die bei Erregungszuständen der Entenhauser:innen kreisförmig um den Kopf schwirrenden Gegenstände und Zeichen – Sternchen, Dollar-Zeichen, Herzen, Vögel, Planeten – wird neuerdings im Fachblatt „Der Donaldist“ kundig veröffentlicht.

Welche Erfahrungen hast du mit den anderen Erforschern von Entenhausen gemacht? Wie würdest du die Gemeinschaft der Donaldisten beschreiben?

Kauzige, kenntnisreiche Koryphäen auch kynoider Kniffeleien. Eine von ihnen war der nun leider verstorbene Kartenmacher Jürgen Wollina. Er hat aus den mehr als fünfzigtausend von Carl Barks überlieferten Einzelbildern aus Entenhausen einen Stadt- und Umgebungsplan erstellt. Darin sind der Geldspeicher Dagoberts, der Gumpensund, steinerne Erhebungen wie die Satanszacke und die Nadelzinne, das Fichtelgebirge und die Bahamalulu-Bucht genau eingetragen.

Die Karte war ein Wahnsinnsgefummele und viele der Einzelheiten liebenden Donaldist:innen haben das Gemeinschaftswerk ermöglicht. Die Karte ist als großer Faltplan auf gutem, festem Papier angelegt. Ich habe sie zusammen mit dem Gesamtwerk von Barks in der Abteilung „Klassiker der Weltliteratur“ sogar in die ständige Sammlung der Stadtbibliothek Köln eingebracht.

Viele bekannte Forscherinnen und Forscher sind in der Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus, abgekürzt D.O.N.A.L.D., anzutreffen. Sie unterhält neben jährlichen Kongressen Unterorganisationen wie G.R.Ü.N.E. S.O.S.S.E. (Glorreiche Runde Über Neue Einzelheiten Schnabeltragender Organismen Sachkundig Sinnierender Entenkenner), S.N.O.W.L.S., das ist der Süd-Niedersächsisch-Ost-Westfälisch-Lippische Stammtisch der D.O.N.A.L.D. oder die K.D., die Kölner Donaldisten.

Ich empfehle Interessierten, einmal zu einem Kongress der D.O.N.A.L.D. zu fahren. Dort wird unter anderem die Hymne gesungen, angelehnt an eine Liedtextstelle aus dem Schlager „Der rührselige Cowboy“, die in der Barks-Überlieferung „Der Schnee-Einsiedel“ (1951) zu finden ist.

Donald Duck hat viele Facetten, von seiner Persönlichkeit bis zu seinen zahlreichen Abenteuern. Welcher Aspekt… oder vielleicht besser: welche hinterlassene Spur von Donald fasziniert dich am meisten?

In den vergangenen neunzig Jahren hat Donald es geschafft, größer als er selbst zu werden.

Als Vorbild ist er zwar nur bedingt geeignet, weil er laufend ausflippt, mal größenwahnsinnig und mal eine echte Flasche ist und seine Erziehungstechnik mit versuchter Totalüberwachung der Neffen nicht modern ist, außer für Helikopter-Eltern.

Donald ist aber menschlicher als viele Erdenmenschen und gibt selbst im klirrenden Schneegestöber nicht auf, wenn er einen Eilbrief, genauer gesagt einen Liebesbrief von Gustav Gans an Daisy, kilometerweit durch Eis und Schnee befördern soll, ihn dann aus Eifersucht wegwirft, sodann aber vom Gedanken an den wackeren Hilfspostboten Säbelbein, der niemals einen Brief verloren hatte, wieder auf Spur gebracht wird. Der Brief ist zwar weg, doch die Neffen retten ihn. Fortan dürfen sie den Fellschwanz des Fähnlein Fieselschweif vorn an der Mütze tragen.

So ist das Leben doch auch: voller Wendungen und Windungen und manchmal mit unerwarteter bis unverdienter Hilfe in verrückten Momenten.

Gibt es eine bestimmte Donald-Duck-Geschichte oder -Szene, die für dich eine besondere Bedeutung hat, und könntest du uns erzählen, warum?

Ja. Donald ermuntert wie folgt seine Neffen, sich erstens mit der Natur zu beschäftigen und zweitens zu handeln, anstatt als schwankende Gestalten ohne Saft und Kraft herumzuhängen: „Nehmt euch ein Beispiel an den Ameisen! Die fragen nicht erst lange, was sie tun sollen, die tun eben was!“ Das gefällt mir. Denn Ameisen sind eine der in den letzten Jahren am schnellsten verschwindenden Lebewesen-Gruppen. Wir sollten von ihnen lernen etwas zu tun, bevor es zu spät ist. Wir haben nur ein Leben.

Donald Duck hat nicht nur erwachsene Fans, sondern zieht vor allem auch Kinder in seinen Bann. Wie würdest du die zeitlose Anziehungskraft von Donald Duck auf Menschen jeden Alters erklären?

Donald übt unheimlich viele Tätigkeiten aus und ist in anderen Welten – bei Marvel und DC würden sie „Paralleluniversen“ heißen – nicht nur wie im echten Entenhausen als Astronaut, Bademeister, Hutverkäufer und Kartoffelschäler, Leuchtturmwärter sowie Orgelspieler für Lokomotivpfeifen tätig, sondern seit 1969 unerkannt und mit Umhang auch als Phantomias. Das finden Kids natürlich toll, denn sie trauen sich noch zu sein, was sie sein wollen. Und sei es nur in Träumen, Parallelwelten oder Comics.

Zu guter Letzt, was wünschst du Donald für die nächsten 90 Jahre?

Dass Donald und die Ducks nicht als schöngeistig betrachtete Figuren ins Vergessen sinken, sondern wilde und ungezähmte Spaßvögel bleiben, in deren Welt so ziemlich alles möglich ist. Und ich freue mich auf alle künftigen Forschungen sowohl der privaten als auch der organisierten Donaldist:innen. Duck auf!


Mark & Erich Ohser

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