Der Rosenheimer Mark Benecke ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. Sein Spezialgebiet sind Insekten, die sich auf und an Leichen befinden. Ein Gespräch über die Vorliebe für das Morbide
ABENDZEITUNG, SAMSTAG, 13. JANUAR 2018, Druck-Ausgabe Seite 18
AZ-INTERVIEW mit Mark Benecke. Deutschlands berühmtester Kriminalbiologe (47) ist Spezialist für forensische Entomologie und politisch für „Die PARTEI“ aktiv.
AZ: Herr Benecke, woher kommt die Leidenschaft für Ihren Beruf? Interesse an der Wissenschaft, Lust am Rätselknacken? Vorliebe für das Morbide?
MARK BENECKE: Genau, stimmt: alle drei. Und ich sortiere gerne Dinge.
AZ: Wie erklären Sie einem Laien Ihr Fachgebiet Forensische Entomologie und warum fasziniert Sie diese Wissenschaft?
MARK BENECKE: Ich habe als Kind alles von Menschen und aus Büchern gelernt, die nette Fachleute für weniger Wissende wie mich geschrieben hatten. Das möchte ich jetzt gerne zurückgeben. Mein Fachgebiet ist so spannend, weil es eine ganz offensichtliche Welt ist – die der Zersetzung und des Kreislaufes des Lebens –, die aber viele einfach nicht anschauen. Es gibt also umso mehr zu entdecken.
AZ: Wo wird mehr gemordet: In Großstädten oder gibt es auch in ländlichen Landstrichen und der Kleinstadt spektakuläre Fälle aufzuklären?
MARK BENECKE: Für mich sind alle Fälle gleich. In kleineren Regionen wird mehr totgeschwiegen, besonders im Bereich sexuellen und häuslichen Missbrauches. Abgesehen davon kann alles überall passieren, es ist bloß eine Frage der Bevölkerungsdichte und des Wohlstandes.
AZ: Wie erklären Sie sich das große Interesse an Mord und seiner Aufklärung?
MARK BENECKE: Menschen rätseln halt gerne, sie wollen aber auch mal ernst genommen werden. Ich rede offen und stehe nur auf der Seite der Wahrheit, von sonst nichts. Manche Menschen sind vielleicht schwach, aber sie wissen genau, dass Wahrheit der Kern von allem ist: Politik, Kultur, Religion, alles mögliche lässt sich testen.
Ob man es macht oder nicht, ist eine andere Frage, aber die Test-Methoden finden viele spannend. Tötungen sind nur eine leicht einsehbare Übungs-Aufgabe, deren Lösungs-Mittel sich dann auf alles anwenden lassen.
Ich bin jeden Tag neu überrascht über die Fragen – ob die Erscheinungen bei einem Arbeitskollegen durch Gift erzeugt sein können, ob ich auf einem Foto einen Ast gesehen habe und was er bedeutet und wie eine Facharbeit abläuft, bei der eine Schülerin tote Mäuse verwesen lassen möchte.
AZ: Sie werden als „Popstar der Wissenschaft“ charakterisiert. Wie geht man damit um?
MARK BENECKE: Ich will in Ruhe meinen Kram bearbeiten und sehe mich selbst als ganz normalen Mensch. Ob andere das als bunt, schwarz oder poppig ansehen, sagt wohl mehr über andere aus als über mich. Ich sehe mich einfach als jemanden, der gerne forscht und erklärt.
AZ: Wie teilt man sich die 24 Stunden täglich ein, wenn man Autor ist, Fernsehauftritte bewältigt und Vorträge hält?
MARK BENECKE: Aspergerische Organisation, keine Ausreden, ein verlässliches Team, schlanke Strukturen – meine Frau und ich haben ein Bett im Labor und keine eigene Wohnung – , ein elektronischer, von meiner Frau selbst programmierter, echt ausgetüftelter Kalender, die coole Tina im Hintergrund, die alle Abläufe im Schlaf kennt und selbst schöne Forschung macht, uneingeschränkte Erreichbarkeit 365 Tage im Jahr.
AZ: Vielfältigkeit zeichnet Sie auch in anderen Bereichen aus: Politik, Tierschutz, Musik und Theater. Woher nimmt man die Energie?
MARK BENECKE: Mir ist langweilig, wenn nix los ist. Genauer gesagt, schlafe ich sofort ein. Ich schlafe zwar sehr gerne, aber ich erlebe halt auch gerne etwas und schnuppere gerne in anderen Welten herum. Vorgefertigtes Zeugs mag ich nicht, weder beim Essen noch im sonstigen Leben, daher muss ich selbst ran.
Interview: Ulli Scharrer
(Fotos: Mark Benecke und Rocksau Pictures)
Mark Benecke kommt am 20.01. ins Volkstheater nach München.
Das Interview erschien gleichlautend und mir Ergänzung auch im Straubinger Tageblatt, 13. Januar 2018, Druck-Ausgabe Seite 43, mit folgender Ergänzung:
Schockierende-faszinierende Welt
Kurzer Streckbrief des Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke
STRAUBINGER RUNDSCHAU / TAGBLATT, SAMSTAG, 13. JANUAR 2018, Druck-Ausgabe Seite 43
In seinen Büchern und Vorträgen erlaubt Dr. Benecke einen Einblick in die Arbeit eines der bekanntesten und erfolgreichsten Kriminalbiologen der Welt.
Ein bisschen anders packt der tätowierte, vegan lebende Wissenschaftler Dr. Mark Benecke das Leben an. Er ist Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Partei „Die PARTEI“ und praktiziert den Dudeismus, eine Lebenseinstellung die aus dem Film „The Big Lebowski“ stammt. Er hat sich vor allem der Entomologie, also der Insektenkunde, verschrieben.
Sein forensisch kriminalistisches Wissen vermittelt Dr. Mark Benecke unkompliziert an Laien mit seinen fundierten aber locker geschriebenen Sachbüchern oder mit Büchern und Experimentierkästen für Kinder und Jugendliche. Mit seinem Multimediavortrag „Kriminalfälle am Rande des Möglichen“ kommt er gleich zweimal, am Samstag, 27., und Sonntag, 28. Januar, in den Markmillersaal.
Der erste Termin war so schnell ausverkauft, dass ein zweiter angeboten wurde, da gab es nach 25 Minuten keine Karten mehr. Beim Einlass gilt: nur ab 18 Jahren!
Kriminalfälle am Rande des Möglichen. Das sind Fälle, in denen Gerichtsmediziner an ihre Grenzen stoßen, weil die Spuren für eine eher unlogische und fast schon unmögliche Todesursache sprechen. Dann werden Experten gerufen wie Diplom-Biologe Dr. rer. medic, M.Sc., Ph.D. Mark Benecke.
Ausbildung beim FBI und ein gesunder Magen
Unfall oder Mord? Ist es möglich, Menschen mit Körperteilen zu töten? Und hat der Bordellbetreiber und Waffenhändler wirklich nichts mit dem erschossenen Mann in seiner Bar zu tun? Können Polizisten Spuren so fälschen, dass genau derjenige unberechtigt in Verdacht gerät, der als Letzter mit der Toten gesehen wurde? Die Antworten erhält man, wenn man die Spuren ohne Annahmen und Vorverurteilungen zum Sprechen bringt.
Dr. Benecke widmet sich seit mehr als 20 Jahren diesen Aufgaben auf skurrile bis zum Teil eklige Weise und findet nicht selten Antworten, die man manchmal lieber nicht finden hätte wollen: Wieso sind beispielsweise die Fingernägel des Toten so lang und führt die Madenart, die ihm aus dem Mundwinkel kriecht, vielleicht sogar zum Mörder? Beneckes Job ist eine schockierende und faszinierende Welt, die schon viele Verbrecher weltweit hinter Gitter gebracht hat. Und da nimmt man gerne in Kauf, dass sich beim Anblick mancher Details schon mal der Magen umdrehen kann.
Der Kölner wurde vom FBI ausgebildet und operiert international. Dr. Benecke hat Speziallabors in Kolumbien, Vietnam und auf den Philippinen errichtet und sich vor allem der Entomologie verschrieben. Als einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren durfte er unter anderem den Schädel von Adolf Hitler untersuchen.
–su–
(Fotos: Christoph Hardt und Annie Bertram)
http://www.abendzeitung-muenchen.de / http://www.straubinger-tagblatt.de (Straubinger Rundschau)