Hands up! (Tätowiermagazin)

Quelle: Tätowiermagazin 01/2013, Seite 144
Hands up!
Kolumne mit Mark Benecke

Von Mark Benecke

Ab und zu halte ich für die Jura-StudentInnen der Ruhr-Universität eine Vorlesung über (mangels eines schickeren Titels) »was Kriminalbiologisches«. Der Campus besteht trotz vieler Bemühungen – geiles Café, geile Pizzeria, fette Chill-out-Wiese – aus hingekotzten Betonklötzen, unterbrochen von verrottenden Parkhäusern. Die Tristesse soll neben Studierenden angeblich auch SuizidentInnen anlocken. Das glaube ich allerdings nicht, denn eins der lustigsten Graffitis ever ist riesengroß an einer Waschbetonmauer nahe der in die Uni eingebauten Straßenbahnhaltestelle zu sehen: »ACAB: All Christians Are Brothers«. Harrharr!

*© Tätowiermagazin

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Normalerweise haue ich ziemlich rein und wirble die Vorstellung, dass Gut und Böse leicht unterscheidbar sind, für die JuristInnen absichtlich durcheinander. Das gefällt den RechtsforscherInnen in ihrer Fantasie-Welt aus dehnbaren Paragrafen und Regeln oft nicht. In Bochum (dort steht die Ruhr-Uni) ist das anders: Es wird gelacht und offen diskutiert und nicht dogmatisch rumgeklugscheißert.

Wohl wegen dieser frischen Denkstimmung (und weil seine Freundin Jura studiert), kam eines Tages ein Fotograf ans Rednerpult und fragte, ob er meine Hände fotografieren darf. Meine Hände?

»Ganz genau«, erzählt Arkadiusz »Arek« Goniwiecha. »Das erste Foto dieser Art habe ich vor drei Jahren zufällig von einem befreundeten Gitarristen (Kris von der Hardcoreband Tribute to Nothing) aus England gemacht, der zu Besuch war. Im gleichen Jahr habe ich bei der Rheinkultur Dallas Green (ehemals Alexisonfire / heute City & Colour) im Backstage getroffen – mittlerweile habe ich unter anderem auch Musiker von den Hardcorebands Gallows und Every Time I Die vor die Linse bekommen. So hat sich eine Serie entwickelt. Sie heißt: »Nichts zu verstecken«.

Die meisten achten nämlich penibel darauf, dass die Hände, also die »Visitenkarten des Menschen« immer sauber sind. Die Leute, die ich getroffen habe, können ihre Tattoos aber nicht mal eben unter einem Hemd oder einer langen Hose verstecken. Diese Menschen wollen ihre Überzeugungen, ihren Glauben, ihre Vorlieben und Macken jedem anderen Menschen sofort zeigen – sie wollen nichts und vor allem sich selbst nicht verstecken. Ich finde das mutig. Und nein, ich habe keinen Hand-Fetisch oder sowas ...«

Nachtigall, ick hör dir trapsen ... möchte sich Arek eines Tages auch einmal eine tätowierte Visitenkarte auf den Fingern zulegen? »Schwere Frage«, sagt er. »Ich lasse ungerne etwas an meine Hände und Arme. Das Einzige, was ich daran trage, sind Bändchen vom Groezrock-Festival in Belgien, weil ich damit sehr viele gute Erinnerungen und Menschen verbinde, und einen Ring. Und selbst dabei hat es lange gedauert, bis ich mich dran gewöhnt hatte. Aber ich bin ja noch ›jung‹ (24) und Menschen verändern sich.

Einen Tattoo-Wunsch habe ich aber schon länger, es ist etwas sehr Persönliches. Ich hab’ aber ehrlich gesagt Schiss vor jeglicher Art von Nadeln. Irgendwann werde ich mich sicher trauen. Hab’ mich mittlerweile ja schon überwunden, regelmäßig Blut zu spenden ...«

Ein erster Schritt indeed: Arek ist auf dem Weg, etwas Inneres nach außen zu bringen. Schritt zwei sind seine prima Fotos, und ich wette, es wird nicht mehr lange dauern, bis auch er ein geinktes Fenster in seine Seele tragen wird.
Viele Wege führen zum Tattoo und zu sich selbst. Das gilt natürlich auch – für Euren –

Dr. Doom