DIY-Fanzine von Philipp Reinecke: Mark Benecke (2025)

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Guten Tag, Herr Benecke, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Auch wenn Sie den meisten Leuten bekannt sind, würden Sie sich bitte kurz vorstellen?

Ich bin Kriminalbiologe. Mehr dazu (ordentlich sortiert, versprochen) auf http://benecke.com.

Wie kam es dazu, dass Sie sich entschieden haben, Biologie zu studieren?

Die Biolog:innen waren die Nettesten. Ich war auch für Psychologie, Film-, Fernseh- und Theaterwissenschaften und Germanistik eingeschrieben, aber der Vibe war bei den Biolog:innen von Anfang an da, bei den anderen nicht.

Sie arbeiten schon viele Jahre in der Kriminalbiologie. Wie kam es zu der Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen?

Zufall. Ich wollte genetische Fingerabdrücke lernen, die 1984/1985 von Alec Jeffreys erfunden oder entdeckt oder beides wurden. Das ging damals nur im Institut für Rechtsmedizin.

Zudem sind Sie Experte auf dem Gebiet der forensischen Entomologie. Für alle Nicht-Fachkundigen: Was bedeutet dieser Begriff, und was genau machen Sie auf diesem Gebiet?

Wir prüfen, ob Insekten an einer Leiche oder an einem Tatort oder sonstwo etwas über die Tat verraten können: Leichen- Liegezeit, Transport einer Leiche, Jahreszeit des Vergrabens und so weiter.

Um noch ein wenig bei den Insekten zu bleiben: Können Sie ein kurzes Beispiel nennen, wie ein Insekt zur Aufklärung von Todesfällen beiträgt?

Das Alter der Tiere an einer Leiche kann verraten, seit wann eine Leiche in der betreffenden Umgebung liegt. Das kann die Polizei mit Beobachtungen von Zeug:innen abgleichen, die beispielsweise ein Auto zu dieser Zeit gesehen haben.

Gehen wir noch einmal zurück in Ihrer Laufbahn. Was ich persönlich spannend finde, ist Ihre Arbeit in den USA, da sich einige Abläufe dort doch stark unterscheiden. Wie kam es dazu, dass Sie in den USA gearbeitet haben?

Meine Chefin aus Köln hat im Institut für Rechtsmedizin in Manhattan die Abteilung für Erbgut-Untersuchungen übernommen. Es gab kaum Menschen, die das ganze beherrschten und für einen absoluten Hungerlohn (ich habe mein gesamtes Einkommen der Vermieterin überwiesen und nebenbei Geld für Essen und dergleichen verdient) dort arbeiten wollten. War sehr spannend und lehrreich.

In den USA waren Sie unter anderem in Manhattan tätig. Was war dort Ihre Aufgabe?

Genetische Fingerabdrücke von Tatort-Spuren. Außerdem hat mein Kollege James (von den Amerikaner:innen “Jim” genannt) mit mir Insekten auf Leichen untersucht.

Gibt es einen Fall oder eine Begebenheit aus Ihrer Tätigkeit in Manhattan, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Die Leichen streng gläubiger Menschen mussten vor Sonnenuntergang untersucht und begraben werden. Das war etwas abenteuerlich.

Kommen wir zu einem anderen Zweig Ihrer Tätigkeit: Sie waren in den Serien „Medical Detectives“ und „Autopsie“ zu sehen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Mein Labor ist in der Nähe von RTL. Ich vermute, dass das für den Sender bequem war.

Ich bin ein wenig neugierig: Wie genau lief die Arbeit für die genannten Serien ab? Wie viel Vorbereitung war nötig, um sich in die Fälle einzuarbeiten?

Ich bereite mich nie vor, das ist mir sonst zu langweilig. Die Journalist:innen berichten den Fall, stellen ihre Fragen und ich sagen dann etwas dazu. Danach wird das ganze stark gekürzt in die Sendung geschnitten. Mehr weiss ich nicht, da ich die Sendungen noch nie gesehen habe.

Neben Ihren Tätigkeiten im TV findet man Sie auch in der Literatur. Was war Ihr Anlass, Bücher zu schreiben?

Das war früher normal, es gab ja noch keine sozialen Medien. Ich wollte eigentlich nur biologisch erklären, warum der Tod “eingeführt” wurde. Das Buch ist bis heute – also fast dreißig Jahre später – immer noch neu erhältlich. Manches, was heute vergessen ist, habe ich auch zum Geld verdienen geschrieben (ich hatte absolut keinen Cent übrig und brauchte Geld für Miete, Essen und so weiter), beispielsweise das sehr aufwändige Lexikon der Forscher und Erfinder und eine ebenso aufwändige Beschreibung von Wirkstoffen in Pflanzen.

Zwischendurch fällt mir noch etwas aus Ihrer Vergangenheit ein. Hier im Abschmierblatt geht es hauptsächlich um das Thema Punkrock, und auch da haben Sie eine Vergangenheit. Sie waren Teil der Band „Die Blonden Burschen“. Wie haben Sie den Weg zur Musik gefunden?

Mein Freund und Mitschüler Klaus hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihm zusammen singen wollte. Er kannte Ton-Studios, die uns gratis oder für fast kein Geld dort haben aufnehmen lassen und so kamen wir schnell zu vernünftigen Aufnahmen und “Arrangements” in dem Sinne, dass wir alle (Bass und Drums gab’s manchmal auch) sehr gut aufeinander eingespielt waren und daher auch laute Kneipen, Schauspielhaus-Keller, die Kölner “Talentprobe” und dergleichen gut bespielen konnten, weil wir uns auf der Bühne durch reines Anschauen verstanden haben. 

Ein anderes spannendes Thema sind sogenannte „Body Farms“. Können Sie einen Überblick darüber geben, was sich hinter diesem Begriff verbirgt?

Auf den mittlerweile dreizehn Geländen auf der Erde liegen Leichen, die dort verwesen und dabei untersucht werden. 

Was genau sind bzw. waren Ihre Tätigkeiten auf den Body Farms?

Besucher, Trainer für’s FBI, vor ein paar Wochen beim Kongress der American Academy of Forensic Sciences “informierter Beobachter” von dort vorgestellten, aber noch nicht veröffentlichen Versuchen und deren Ergebnissen. 

Auch hier kommen Insekten ins Spiel. Wie wichtig sind sie für den Zersetzungsprozess des menschlichen Körpers?

Es geht auch ohne Insekten durch die Selbst-Auflösung des Körpers und Bakterien

Bleiben wir beim Thema Zersetzung. Mich würde Ihre Meinung zu einem speziellen Thema interessieren: Ich glaube, dass Sie sich einmal zu Bestattungen geäußert haben. Wie stehen Sie persönlich zu den herkömmlichen Erdbestattungen, bei denen der Körper im Ganzen bestattet wird? Ist dieser Prozess wichtig für die Natur?

Er ist jedenfalls tausendmal besser als die Verbrennung, bei der nicht nur Kraftstoffen en masse verbraucht werden, sondern auch die Nährstoffe, die Tiere und Pflanzen und Bakterien und Schleimpilze benötigen, sehr lange aus dem Kreislauf des Lebens genommen werden. 

Wir kommen so langsam zum Ende, und deshalb stelle ich gern ein paar einfache Fragen zum Ausklang. Sie waren vor Kurzem im Haus von Edgar Allan Poe. Wie war diese Erfahrung, und was verbinden Sie mit Poe?

Es ist winzig, stickig und unglaublich, unter welchen Bedingungen die Menschen damals gearbeitet und gelebt haben. Da da ganze noch kein Museums-Zirkus ist, ist es richtig interessant, das winzige Haus zu erkunden. Poe hatte eine sehr interessantes Arbeits-Pult zum Zusammenfalten, sowas hatte ich noch nie gesehen. Mein Bezug zu Poe ist, dass ich oft nach ihm gefragt werde (googelt es mal) und er als erster den Beruf, der heute “Detektiv” heißt, beschrieben – genauer gesagt erfunden – hat. 

Die letzte Frage dreht sich noch einmal um Musik. Was bedeutet Musik für Sie?

Ein schöner Anlass, um gleichgesinnte Menschen zu treffen oder beim Arbeiten auf Trab zu bleiben. Und ich mache regelmäßig “Platten” und prima Videos mit Bianca Stücker, darunter ein Leonard-Tribute. Das neue Video, wie immer sehr finster, kommt zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig zu Pfingsten raus. Schaut euch die prima Videos an, sie sind echt abgefahren und manchmal in einer einzigen oder zwei Einstellungen gedreht, ohne jeden Nachbearbeitungs- oder K.I.-Trick. 

Wir sind am Ende angekommen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Zum Abschluss können Sie den Leuten da draußen gern noch etwas mit auf den Weg geben. 

Macht euer Ding.