Der Patenonkel der Markusfliege

Quelle: coolibri, Mai 2017, Seiten 6 bis 7

Coolibri präsentiert Mark Benecke

VON IRMINE ESTERMANN

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Eine von Insekten übersäte Leiche im Morast. Für die meisten blanker Horror, für Dr. Mark Benecke schlicht und ergreifend oft der Arbeitsalltag. Für Deutschlands bekanntesten Kriminalbiologen hat der Tod nichts Erschreckendes, eine Leiche nichts Verstörendes und kleine Krabbelviecher nichts Ekelhaftes. Auf der Suche nach noch so kleinen Spuren, blendet er alles aus. Irmine Estermann sprach mit ihm über nützliche Tierchen, Witze der Evolution und Recycling.


Sie werden wegen Ihrer Arbeit oft als der „Herr der Maden“ bezeichnet. Wäre Ihnen ein anderes Insekt lieber?

MB: Alles jut. Maden helfen uns, die Liegezeiten von Leichen zu bestimmen. Sie sind ziemlich cool. Ich mag aber auch Fauchschaben, die halte ich als Haustiere und nehme sie mit zu Vorträgen. Eigentlich mag ich alle Tiere, aber vor allem ohne Aaskäfer, Schmeißfliegen und ähnlichen Lebewesen würde die Welt innerhalb kurzer Zeit zusammenbrechen. Überflüssig sind nur wir Menschen, sowohl von der Biomasse als auch von der Artenvielfalt her – der Mensch ist ein kleiner, guter, freundlicher Witz der Natur. Im Berliner Museum bin ich übrigens auch Pate der Markusfliege.


Und was kann die so?

MB: Wenn eine Markusfliege mit einer Leiche in einem Teppich eingewickelt und im See versenkt wird, kann ich anhand der Fliege bestimmen, in wel- cher Jahreszeit der Teppich zusammengerollt wurde. Die kommen nur einmal im Jahr zum Vorschein. Außerdem sind die ganz schwarz, und ich mag alles, was schwarz ist.


So düster wie Ihr Job als Kriminalbiologe? Wie kommen Sie klar, mit dem, was Sie an Tatorten sehen und hören?

MB: Das ist doch nicht düster, sondern der Kreislauf des Lebens. Alles recycelt sich, sonst würden auf der Welt kilometerhoch tote Mäuse, Menschen und Vögel liegen. Für mich ist eine Leiche ein Spurenträger. Ich bin einfach so, dass ich mir auch für andere schrecklich wirkende Dinge anhören kann. Mein Gehirn filtert alles heraus, was keine Spuren sind. Das fällt dann einfach durch.


Und welche Spuren sind für Sie die wichtigsten?

MB: Alle, die klein, nebensächlich, langweilig oder doof erscheinen. Bei Blutspuren hin und wieder auch zu offensichtliche Antragungen.


Als Laie denkt man da direkt an eine dieser CSI-Serien, bei denen DNA-Spuren oft die entscheidende Rolle spielen. Wie wichtig sind diese Spuren in der Realität?

MB: Genetische Fingerabdrücke sind superwichtig. Wenn man zu sehr darauf schielt, kann es aber auch die Ermittlungen behindern. Denn die zeitlich-räumlichen Spuren, also Daten zu Fragen wie ‚wer war wann wo unterwegs‘ werden dann im schlimmsten Fall vernachlässigt. Dabei liefern sie oft entscheidende Hinweise.


Wie wichtig ist dabei die Geschichte des Opfers?

MB: Gar nicht. Sie ist menschlich und charakterlich sehr eindrucksvoll, aber für die Arbeit bedeutungslos. Menschen sind ganz tolle, ungewöhnliche Organismen, aber die Wahrheit in der Spurenwelt hat nichts mit Schicksal, Wut, Gerechtigkeit oder Gut und Böse zu tun.


Wann hat das Alles eigentlich für Sie angefangen?

MB: Als Kind wollte ich Koch werden. Aber die Spurensuche und vor allem Chemie haben mich schon immer interessiert. Ich saß oft in der Buchhandlung und habe Experimentierbücher gelesen. Ich habe Staub auf Tesafilm geklebt und unter einem ganz billigen Mikroskop angeschaut und jahrelang versucht, Schneeflocken mit Lack einzufangen. Dann habe ich Bio studiert. Während des Studiums habe ich ein Praktikum in der Rechtsmedizin gemacht. Und so kam das dann. Menschen strengen mich oft an. Ich gucke mir lieber Dinge an, weil sie so klar und friedlich sind.


Haben Sie in Ihrer Freizeit einen Gegenpol zu Ihrem Beruf?

MB: Für mich ist das alles eins. Ich trenne nicht zwischen Arbeit und Freizeit. Ich mache, das, was ich gerne mache, mit Leuten, die ich gerne habe. Das Einzige, was ich wirklich trenne, sind Emotionen und der gerade zu bearbeitende Fall. Da geht es ausschließlich um die Wahrheit. Und die liegt in messbaren Spuren und nicht in Gefühlen.


Sie engagieren sich aber auch politisch als Landesvorsitzender von Die PARTEI. Wohin bewegt sich NRW momentan politisch?

MB: In kraftlose Zonen. Nur mit der PARTEI gibt es Friedenslinien um Düsseldorf, landesweit stilettofreundliche Straßenpflaster, Stadtreinigung nur noch mit 4711 und Glitzerdinge für alle.


Was halten Sie vom Kult, der gerade um Martin Schulz geschaffen wird?

MB: Ist mir neu, aber sicher eine gute Sache: Unser größter Vorsitzender Sonneborn und Schulz sind BFFs aus dem Europaparlament. Das ermöglicht uns sehr kurze Wege. Wenn Schulz erfolgreich bleibt und übertritt, erhält er unter meiner NRW-Ministerpräsidentschaft gerne ein kleineres Ministerium, vielleicht das für Zauberei.

Mit großem Dank an Irmine Estermann und die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.


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