Der kleine Weltuntergangsführer, Teil 1: Was essen wir nach der Apokalypse?

Was esse ich als Überlebender einer Zombie-Apokalypse, wenn der Supermarkt nur noch Putzmittel bereithält und die letzte Dose Erbseneintopf aus dem Bunker aufgebraucht ist? Dr. Mark Benecke weiß Rat.

Zombie-Viren durchseuchen die Menschheit. In der großartigen Comic-Serie POWERS passiert ähnliches durch eine unbekannte Kraft, die kurzfristig etwas deutlich cooleres, und zwar Superenergiekräfte bewirkt. Besser als bloß das Schwanken oder blitzschnelle Flitzen der Hirnfressenden, leider aber auch für die Superhelden tödlich. So oder so, das Ende naht.

Die Redakteurin dieser Kolumne fragte sich, was es für die Überlebenden wohl noch zu speisen gäbe, wenn keiner mehr die Äcker der Welt bestellen würde. Dazu muss man wissen, dass sie leidenschaftliche Quarkbällchenverzehrerin ist — und genau die wird es im Angesicht der Apokalypse schnell nicht mehr geben. Ein ernstes Problem, aber keine Sorge – es gibt Quarkbällchen-Ersatz.

Kollege David George Gordon hat nämlich sogar ein Kochbuch darüber geschrieben, wie er mit denjenigen Lebewesen, die härter als Menschen sind, seinen und den Magen der Redakteurin füllen würde. Wolfsspinnen auf Spinat, süß-saure Seidenraupen, Termitenstew oder Kakerlaken in Sherrysauce — das sind seine eigentlich nichtapokalyptischen Tipps, die sich aber auch mit Resten aus der Speisekammer zusammenköcheln lassen.

Wird zombiebedingt auch der TK- und Dosenvorrat enger, dürften beispielsweise Ameisen, denen das Zombie-Virus nix tut, die aber einen abgefetzten Arm durchaus zu schätzen wissen, die Speisepalette erweitern. Sie lassen sich gut züchten und werden durch Hitze schön knusprig.

Wer das nicht glaubt: Ich habe Gordon in Washington im Naturkundemuseum mit eigenen Augen beobachtet, wie er cremefarbene Insektenlarven in Probierschüsselchen mit gekochtem Reis mischte. Sogar sonst zimperliche U.S.-AmerikanerInnen genossen dieses Eiweiß-Kohlenhydrat-Gemisch, obwohl es kulturell eher ungewohnt sein müsste.

Kulturell ungewohnt? Nur bei uns. Denn es gibt ziemlich viele Insektenküchen; ich habe sie in Thailand, auf dem Pekinger Nachtmarkt, in Mexiko und in New York gesehen. Während Insekten und Spinnentiere im asiatischen Raum noch ein halbwegs normales Nahrungsmittel waren, das mittlerweile natürlich auch mutige (und sich auf die Zombieinvasion vorbereitende) TouristInnen lockt, war in New York ein anderer Kollege am Werk. Louis Sorkin, Spinnenkundler am American Museum of Natural History in Manhattan, hatte zum runden Jubiläum einer ForscherInnengemeinschaft gleich ein ganzes Buffet aufgebaut, das aus Heuschrecken und anderen Gliedertieren auf, an und in Schokokuchen oder auch pur und geröstet bestand.

„Bewußtseinserweiternd war es schon, das Bankett“, meinte damals ein Gast. „Die gebackenen Grillen konnte ich geschmacklich kaum von Erdnüssen unterscheiden, aber die Riesenwasserkäfer an Kresseblättern habe ich nicht angerührt – sie erinnerten mich irgendwie an Küchenschaben.“ Da hatte er den richtigen Riecher, denn „Wasserkäfer“ sind hin und wieder in der Tat einfach euphemisierte Kakerlaken.

Aber auch vor Schaben braucht sich niemand fürchten. Nicht nur, dass sie nach den Atombomben-Einsätzen in Hiroshima und Nagasaki in messbarer und erstaunlicher Menge überlebten. Auch die Kollegen von den Myth Busters verstrahlten neulich einige der wissenschaftlich korrekt „deutsche Kakerlaken“ genannten Blatellae germanicae mit Kobalt 60. Was einen Menschen schon nach zehn Minuten getötet hätte, machte den Schaben auch nach einem Monat noch nichts aus.

Nun ist Zähigkeit gegen eindringliche Elementarteilchen kein kulinarisches Kriterium. Wenn die Kerbtiere dann aber auch noch gesundheitsfördernde Wirkungen haben, gibt es eigentlich keinen Grund mehr, nicht zu dem zu greifen, was Mutter Natur ohnehin im Überfluss über unsere Teller krabbeln lässt.

„Der Jazzmusiker Louis Armstrong hat mit Kakerlakensud sogar seine Erkältungen auskuriert“, weiß — noch einmal — David Gordon. "Man sollte nur nicht vergessen, die äußere Wachsschicht der Tiere vor dem Kochen mit Zitronensaft aufzulösen.” Tipp von mir: Sollten die Zitronen alle sein, kann man einfach beliebige Fruchtsäfte an der Luft zu Essig werden lassen oder zum selben Behufe den guten Mouton entkorken. Zombie-Apokalypsen haben nun mal ihren Preis.

Wer im Angesicht der Invasion der Untoten doch so ängstlich ist, dass er oder sie nicht einmal mehr Oregano oder Schnittlauch aus dem heimischen Garten zupfen möchte, der sei getröstet. Abgesehen von den Insekten braucht man eigentlich keine (für uns) exotischen Zutaten, um satt zu werden. Sollte die aktuell marodierende Zombie-Spezies nicht durch Kellerfenster passen, so genügt vielleicht schon ein Loch im heimischen Boden, um Ameisen- und Kakerlakenstraßen in die eigene Bude und Richtung Herd zu dirigieren. In meiner Kellerwohnung in Manhattan kamen die deutschen Schaben via lose verlegtem Heizungsrohr jedenfalls immer wieder gerne zu mir zu Besuch.

Womit wir beim Twist zum Schluss wären. So nahrhaft, heilsam und schmackhaft Sechs- und Achtbeiner auch sein mögen, ich zumindest werde sie, da Veganer, nicht anrühren. Fauchschaben sind seit Ewigkeiten meine Haustiere, die sich nächtens im Terrarium ihre kleinen Rangeleien liefern, ansonsten aber eine vorbildliche Platz- und Sozialordnung haben, von der ich schon einiges gelernt habe. Auch gegen Ameisen hatte ich noch nie etwas, und Spinnen haben mir zwei Beine zu viel, selbst, wenn es um Spinatgerichte geht.

Sollte also der heimische Strom ausfallen, weil Zombies die Leitungen zerreißen, dann wird kein Pflanzen-Homegrow-Kit der Welt mich mehr retten und ich werde dem vielleicht grundsätzlichen Problem des Unterganges ins Auge sehen. Das lautet: Möchte ich zuhause länger als nötig ausharren, während draußen das Inferno tobt?

Die Gliedertiere können ja nix dafür. Mir dürfte die ganze Aufregung dann schnell zu doof werden, denn auch Waffen für einen verzweifelten Endkampf kann ich nicht leiden. Vielleicht ist es aus seelischer und ernährungstechnischer Sicht also besser, Gott einen guten Mann, die Zombies zerfallende Menschen sein und den Rest der Welt in dem Lauf zu lassen, der eben gerade läuft.

Im nächsten Teil der Serie wenden wir uns dann Schutzeinrichtungen gegen Untote zu.

Forensisch Euer —

Mark


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