Der Donaldist: Kathleen Jurke (Teil 2)

Quelle: Der Donaldist, 2012: MifüMi 125, Ausgabe 01/2012, Seiten 7 bis 9
Kathleen Jurke
Mark Benecke trifft die Content Managerin bei Ehapa
Teil 2 der Interviews mit nicht voll donaldisierten, aber umso erstaunlicheren Donald-FreundInnen

Von Mark Benecke

Mark: Ahoi, liebe Kathleen. Wir sind uns vorhin auf der Straße in Friedrichshain über die Füsse gelaufen. Das war lustig, weil Du gerade eine Tüte Quarkbällchen erworben hattest und ich für die Micky Maus-Webseite letztes Jahr zusammen mit Dir Beitrag gebastelt hatte. Das kann kein Zufall sein, und so hab' ich gleich mal ein paar Fragen an Dich. Denn Du bist ja nicht nur Quarkball-Fan, sondern eben auch die "Content Managerin" (heutzutage muss es ja englisch sein) bei Ehapa. Ich weiß, dass Du Dorit Kinkel und Erika Fuchs selbst nicht kanntest, trotzdem bist du deren Nachfolgerin. Haben die beiden Dir direkt oder indirekt irgendwas mitgegeben?

Kathleen: Was Erika Fuchs mir mitgegeben hatte, ist die Liebe zu Comics und zur Comicsprache im allgemeinen. Klar habe ich früher die Micky Maus und das Lustige Taschenbuch gelesen. und als Kind war der Erikativ Teil meines täglichen Sprache, auch vor der Wende, als ihre Comicübersetzungen [im Osten, M.B.] noch heißbegehrte Mangelware waren - damals war das ja fast wie ein Geheimcode, den Kinder untereinander verwendet haben.

Durch die Entenhausen-Comics wurde ich mehr und mehr in die Welt der Comics gezogen: Asterix, Abrafaxe, Lucky Luke, Fix & Foxi - sogar irgendwelche hirnverbrannten Comics auf Suppentüten und Cornflakes-Schachtelrückseiten habe ich verschlungen ... eben alles, was es damals für Kids Ende der 80er/Anfang der 90er so gab. Das alles hat mich schlussendlich zum Ehapa Verlag geführt.

Insofern war Erika Fuchs eine wichtige Wegbereiterin für meine heutige Tätigkeit. Übrigens, auch eine interessante Verbindung zu Erika Fuchs und "online" ist: Auch die Sprache im Netz bedient sich des Erikatives - freu!.

Mark: Beschreib doch mal deinen Job: Um welche "Contents" dreht es sich heutzutage? Du machst ja auch die von Dir schon erwähnten Entenhauserer Online-Sachen und Zeitschriften wie "Wendy" (da geht's um Pferdchen) und "Witch" (da geht's um Hexchen).

Kathleen: Content Manager zu sein, heißt grob vereinfacht: Kinder in unseren digitalen Medien zu unterhalten. Also sich zu überlegen: "Was macht ihnen Spaß, wo kommen diese Inhalte her, wie werden diese erstellt und wie funktioniert das letztendlich auf den verschiedenen Systemen. Unter meiner Obhut ist die Micky-Maus.de, aber auch andere Websites wie LustigesTaschenbuch.de, Wendy.de, GoGirl.de.

Was Micky-Maus.de im Besonderen angeht: Da stehen die Inhalte ganz klar im Fokus von Entenhausen.

Das sind zum einen leichte Spielemechaniken wie Abenteuer-Games mit Phantomias, den Fieselschweiflingen oder unsere virtuelle Welt "Mein Entenhausen", in der sich die Kids ihr eigenes Häuschen mit Möbel einrichten, sich miteinander befreunden und einander "quackeln" (also: grüssen, Hallo sagen) können.

Zum anderen gibt es spielerische Mitmach-Aktionen wie Rätselcomics und Rallyes, bei der die Kids zusammen mit Detektiv Micky Fälle lösen können.

Ein anderer wichtiger Inhalt sind unsere regelmäßigen Themenseiten zu bestimmten Anlässen oder Entenhausener Themen - zum Beispiel zu Donalds rotem Flitzer, dem 313. Dort haben wir ein interaktives Automechanik-Poster aufgesetzt. Oder auch mal zu Reportage-Themen wie "Der Weltraum". Und natürlich können die Kinder virtuell auch die aktuelle und nächste Micky Maus als Leseprobe durchblättern. Und als Teil des Teams der (Print)Micky Maus nehme ich an den wöchentlichen Redaktionskonferenzen teil und bin dafür zuständig, die Online-Inhalte auch im Heft präsent zu machen.

Mark: Hört sich ganz schön modern an. Hand aufs Herz: Welche Rolle spielt unser donaldistisch erforschtes Entenhausen bei den Kids und im Verlag noch?

Kathleen: Eine riesengroße Rolle. Die Disney-Comics mit Micky, Donald und Dagobert stehen bei den Kids und auch jungen Erwachsenen auf der Liste der Lieblingslektüre ganz weit oben. Das gilt fürs Micky Maus-Magazin genauso wie fürs Lustige Taschenbuch. Und auch im digitalen Bereich merken wir, dass Entenhausen bei den OnlineUsern einen großen Stellenwert besitzt. Eine ganze Elterngeneration ist ja seinerzeit ebenso mit den Ducks groß geworden und da freut es uns natürlich, wenn diese ihre Liebe zu den Charakteren auch an ihre Kinder weitergeben.

Mark: Frau Fuchs war den Donaldistlnnen ja durchaus freundlich zugeneigt, letztlich sah sie ihre Übersetzungen aber als Job an, den man aus ihrer Sicht -- nicht aus unserer -- nicht überbewerten sollte. Wie ist das bei dir, woran hängt dein Herz bei Ehapa und den "Contents" am meisten? Augenzwinkernd-bürgerliche Übersetzungen mit Klassiker-Zitaten dürften im Zeitalter von leichten Spiele-Mechaniken ja nicht mehr das wichtigste sein. Und immer nur Carl Barks könnt Ihr ja auch nicht bringen ...

Kathleen: Dass Frau Fuchs die Übersetzungen als reinen Job angesehen und ihr Tun dadurch nicht überbewertet hat, macht sie ja schon wieder endcool (sagt man das heute noch?!).

Mark: Wer weiß! Angesächsischeingedeutschte Begriffe sind Donaldisten ja ein Graus.

Kathleen: Wie dem auch sei. Wenn ich wüsste, Tausende Comicfans hängen an meinen Sätzen, können diese auswendig und verzehren sich nach meinen Alliterationen, würde ich glaube ich freidrehen - das ist ja auch eine enorme Verantwortung, die solch eine Tätigkeit mit sich bringt. In meinem Job ist es dagegen nicht so wichtig, welche Person hinter den einzelnen Inhalten steckt - und Sammlerwert hat das Digitale schließlich auch nicht.

Meine Mission ist es, den "Kern von Entenhausen", also das Heimelige, Sonderbare, Kindliche, Abenteuerliche, in seiner ganzen Eigentümlichkeit auch in den digitalen Medien zu transportieren - so medienkompatibel und modern wie möglich. Zum Beispiel heißt ein Huhn, das während einer Schnitzeljagd auf Micky-Maus.de von den Usern gesucht werden musste, Marianne. Wenn das auch noch die Kinder selbst lustig finden, und nicht nur ich, bin ich glücklich.

Mark: Kannst du Dir bei dieser Liebe zu Marianne und ähnlichen Wesen erklären, warum in der Phaeton-Hardcover-Ausgabe der Barks Library die Onomatopöien auf englisch gedruckt wurden?

Kathleen: Ich mach nur digital, also: Nö :(

Mark: Noch was zum Schluss: Wie würdest du die Figur Donaids heute beschreiben - welche Charakteristika hat der moderne Donald bei Euch (vielleicht auch im Vergleich zum alten)? Die Neffen verdreschen darf er ja vermutlich nicht mehr...

Kathleen: Eigentlich schon, richtig. Mit dem Identifizieren ist es bei mir vielleicht so: Morgens, wenn ich aufstehe, bin ich auch ein Niemand, und da fällt mir vielleicht auch schon mal die Kaffeetasse runter, und wenn ich dann auf der Bühne stehe, bin ich auch der Superheld, in gewisser Weise. Diese zwei Seiten finde ich ganz interessant.

Mark: Hast Du denn auch lästige Menschen in Deinem Leben, die Dir wie die Neffen vorkommen und denen Du auch gerne mal mit einer Gerte hinterher laufen möchtest, wie Donald am Ende vieler Geschichten?

Kathleen: Schöne Frage! Die Neffen werden in der Tat nicht mehr verdroschen, das galt ja in den damaligen Comics von Barks als Standard-Erziehungsmethode von Donald Duck. Donald ist in jedem Fall immer noch der jähzornige Wüterich von damals, nur ist er politisch korrekter als früher wobei antiautoritäre Erziehungsmaßnahmen auch weiterhin eine untergeordnete Rolle spielen dürften. Schimpfen geht, hauen nicht :-)

Dennoch ist Donald in den heutigen Comicgeschichten erstaunlich zeitgemäß, auch wenn er in manchen Zügen nicht den Idealvorstellungen eines Erwachsenen entspricht. Er ist alleinerziehender Vater von Drillingen (Patchwork), wechselt ständig seine Jobs (man nennt es auch "flexibel hinsichtlich seines Berufswunsches" oder "Quereinsteiger") und ist in der Gestalt von Phantomias und Agent DoppelDuck eine äußerst vielseitige Persönlichkeit.

Man kann also sagen, dass der "alte Donald" den Grundstein für den Charakter des heutigen Donalds gelegt hat - er hat sich meiner Meinung nach weiterentwickelt, ohne jedoch seine Grundzüge aufzugeben.

Mark: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch und allzeit eine Handbreit Quarkbällchen unterm Kiel, liebe Katheen.

Kathleen: Gab es diesen Samstag übrigens wieder. Spektakulär!