Quelle: Rik, Juli 2008, Ausgabe 274, 24. Jahrgang, Seite 23
Persönliche Eindrücke von Mark Benecke vom CSD in Bukarest
Von Mark Benecke
Licht und Schatten bei der CSD-Parade in Bukarest: Erfreulich die Tatsache, dass die Zahl der Teilnehmer(innen) von etwa 20 bei der Premiere vor fünf Jahren auf mittlerweile 300 angewachsen war. Doch wegen der Bedrohung durch organisierte Schläger fehlte der Feier am 30. Mai alles, was einen Christopher Street Day bunt, schön, wild und frei macht.
Anders als etwa in Moskau stand die Polizei den Demonstrant(inn)en tapfer zur Seite. Meine beiden Begleiterinnen aus Helsinki und Berlin dachten angesichts der zahlreich zwischen dem zentral gelegenen Platz Unirii und dem Parlamentsgebäude auf der Straße, in Hauseingängen und Toreinfahrten aufgestellten Jungs zunächst an einen Scherz. Es wimmelte nicht nur vor uniformierten Kerls mit und ohne Schnurrbärte, sondern auch vor fast noch jugendlichen, feste durchtrainierten Cybercops. Keine Fetischfreunde, sondern Mitglieder eines Sonderkommandos, das im Fall des Falles für Ruhe sorgen sollte.
Dass diese Gefahr nicht dahergesponnen war, zeigte sich in Gestalt von angeblichen Vertretern der politischen Partei „Noua Dreaptă“. Diese in Fußball-Schlägereien kampferprobten Hooligans liefen den gesamten Parade-Weg parallel zu den Demonstrant(inn)en mit, buhten etwas uninspiriert und suchten vor allem eine Bresche. Die gab es aber nicht zu finden, weil die Polizisten einen dreilagigen, in jede Richtung gut 20 Meter breiten Ring um das winzige Grüppchen der Paradierenden gezogen hatte. Die Parade war damit völlig isoliert – man konnte außer ein paar Luftballons rein gar nichts erkennen. Die Stimmung unter den so zwangsweise zur Seite gedrängten, offenbar meist heterosexuellen Zuschauer(inne)n schwankte angesichts dieses an einen Militäraufmarsch erinnernden Zugs zwischen Grauen und Enttäuschung. Der spontane Wunsch einiger Zuschauer(innen), sich der Parade anzuschließen, wurde vom Sonderkommando nur mit Lachen quittiert – es gab selbst für friedlichst aussehende Damen kein Durchkommen. Verständlich, dass im „Queen Club“, dem vermutlich einzigen Gay-Club der Stadt, keine rechte CSD-Stimmung aufkam (Achtung: ohne Beschilderung in einer Seitenstraße im Keller des Restaurants Str. Mihail Bravu 32 gelegen).
Für potenzielle Unterstützer(innen) lohnt es sich, vorab bei der Organisation Accept nachzuhören, wie man sich 2009 ohne Tricks dem Umzug anschließen kann. Da es Billigflüge nach Bukarest gibt und Rumänien ein schickes Land ist, steht einem Ausflug eigentlich nichts im Weg, um den feierlustigen Aktivist(inn)en im kommenden Jahr ein bisschen Schützenhilfe zu geben. Die Mini-Parade könnte dann zu einem soliden Gayfest werden – wenn schon nicht während des vermutlich wieder professionell abgeschirmten Umzugs, dann wenigstens vorher und nachher.
Mehr Infos unter www.accept-romania.ro und www.gay-fest.ro
Mit herzlichem Dank an die Redaktion der Rik für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.