Hutter Michael Hutter
Mark Benecke
Comic tale *Melchior Grün* by Michael Hutter
Left side: Cover of Michael Hutter's tale. A tale with beautiful pictures, I should say! Buy Michael Hutter's most exciting, entertaining, cruel, and delighting stories at Hutter´s HomepageText and picture from Michael Hutter: Schattenreiche. Ausstellungskatalog, Konrad-Adenauer-Stiftung, Bonn, 2.-30. Mai 2000, 56 Seiten, HC, Leinen, S. 10-11
Verschobene Leben
Michael Hutters und mein Urgroßvater hatten denselben Nachnamen. Eines Tages trugen wir durch Zufall die gleichen Brillengestelle auf unseren Nasen. Später hatten wir die gleiche Frisur oder den gleichen Bart, und irgendwann einmal haben wir zusammen die von Hutter zu Ende gedachte und gezeichnete Geschichte des Rattenfängers von Hameln verlegt.
Unsere Biographien sind verschoben. Was Hutter zu
Leinwand und Papier bringt, bietet sich mir manchmal im Alltag dar:
Tanzende Menschen in Fehlfarben, mit organischen Teilen befüllte Säcke,
ausfließende Schalen voll Blut, zerfallende Steine und verschüttete
Seelen vor endlos tiefen Abgründen. Dabei ist Hutter meiner Wahrnehmung
stets voraus; was sich in seinen Bildern andeutet, wird in meiner
kriminalistisch durchtränkten Welt manchmal später wahr. Während mich
Kamerateams umschwirren und vom Forscher zum Idol der nächsten
Generation stilisieren möchten, arbeitet Hutter in Stille und mit
unermüdlicher Konzentration an seinen Werken. Feine Pinselstriche gingen
dabei im Laufe der Jahre ins Gröbere, das Hochdetaillierte übers
Abstrakte ins Volle und Ausgereifte.
Manchmal begegne ich Geistesverwandten, so im New Yorker Keller George Highams, der dort Puppenfilme nach der Vorlage von Edgar Allan Poe-Geschichten dreht. Das Set könnte samt Lichtsetzung von Hutter inspiriert sein - oder umgekehrt. Seltsam nur, daß die beiden Künstler sich nie kennengelernt haben. Teile der Körper, die Hutter früher auch als meterhohe Plastiken darstellte, scheinen sich in Highams Keller auf verstaubten Minibühnen wiederzufinden. Zwei ungewöhnliche Kunstbücher, die auch in Hutters Regal stehen, finden sich in einer anderen Kellerecke. Vielleicht verbindet das Hutter, Higham und mich: im seelischen Tiefschwarz klarer zu sehen als im Hellen.
Etwas Neues beginnt: Michael Hutter hat seine schwarzweißen Bildgeschichten, von denen eine auf dem Comicmarkt bereits als Rarität in den Sammlerkatalogen geführt wird, umkonzeptioniert. Mit einem Textverarbeitungsprogramm zusätzlich bewaffnet, arbeitet Hutter als Zeichner an einer neuen Genregattung, den Moritaten von Melchior Grün. Selten habe ich mir so vergnügt die Hände gerieben wie bei diesen Geschichten, in denen sich Fluchten, Früchte und Fürchten zu einem - überdies fein erzählten - Bilderbuchreigen zusammentun.
Es bleibt spannend in Hutters Welt, und die aktuelle Ausstellung trägt dazu bei, die Tür in diese Welt weiter zu öffnen.
Dr. Mark Benecke, Kriminalbiologe
Reach Michael Hutter: michaelhutter at gmx dot de