Quelle: Rechtsmedizin 2011, Vol. 21, Seite 163
H2O Criminalistics & Pathology Symposium, „Magna Graecia“ Universität
Catanzaro, Italien, 18.11.2010–21.11.2010, 21.–22.10.2010
Kristina Baumjohann & Stefan Dziembowski
Vom 18. - 21. November 2010 fand in der kleinen kalabrischen Stadt  Catanzaro an der dortigen Universität das “H2O Criminalistics &  Pathology Symposium“ statt. Eine facettenreiche und interessante  Mischung diverser Redner aus den verschiedensten Fachbereichen, die sich  rund mit dem Thema „Unterwasser-Tatort“ beschäftigen, traf aufeinander.  Die Tage waren derart mit Beiträgen gefüllt, dass die Kongressbesucher  im Schnitt zehn bis elf Stunden an der Universität verbrachten, ohne  dass dieser Zeitraum Leerlauf beinhaltete.
 
Fallberichte, die die bei Unterwasserfällen auftretenden  Schwierigkeiten des Untersuchungsalltags aufzeigten, waren überwiegend  in die Vorträge eingebunden. Da das Auditorium aus Wissenschaftlern auf  der einen und Polizisten und Feuerwehrmännern auf der anderen Seite  bestand, konnten so auch diejenigen mit einbezogen wurden und zu Wort  kommen, die mit den Resultaten wissenschaftlicher Arbeit umgehen  (müssen).
 
Vertreter des FBI berichteten nicht nur über Kriminalfälle an  Tatorten im und am Wasser, sondern verbanden damit gleichzeitig einen  Exkurs zur Dynamik toter Körper im Wasser einschließlich der damit  verbundenen physikalischen Vorgänge, die zum Sinken und Steigen von  Wasserleichen führen.
 
Von der Bedeutung von Turnschuhen an Stränden wusste der  amerikanische Ozeanologe Curtis Ebbesmeyer humorvoll zu berichten. In  den angespülten Schuhen lassen sich häufig die einzigen (knöchernen) Überreste von Verunglückten  finden, die zur Identifizierung herangezogen werden können.  Gleichzeitig bringen sie den Angehörigen endgültige Gewissheit über den Verbleib ihre  verschollenen Verwandten. 
 
Auch aus anthropologischer und toxikologischer Sicht wurde der  „Tatort unter Wasser“ beleuchtet. Das privat betriebene Labor für  forensische Anthropologie und Odontologie von Prof. Cattaneo wird häufig  zu Kriminalfällen hinzugezogen und untersucht wissenschaftliche  Fragestellungen zur makro- und mikroskopischen Veränderung tierischer  Überreste im Wasser. Dort prüft man auch die Todesursache von  Wasserleichen sowie deren Identifizierung und die Aussagekraft von  Kieselalgen.
 
Die Bedeutung von Insekten und anderen Tieren in Fällen, die sich  im oder am Wasser ereignen, wurde von den kanadischen und  amerikanischen forensischen Entomologen Gail Anderson und Richard Merrit  verdeutlicht.
  
Ein italienischer Zoologe blickte auf das Thema des Symposiums  aus einer ganz anderen Richtung: Mit einem Bericht über die Strandung  mehrerer Pottwale an der Südküste Italiens brachte er den Zuhörern die  Schwierigkeiten der Bergung (Diebstahl der Zähne, hochkant gestellter  LKW durch Gewicht der Wale) näher, außerdem auch die Vorgehensweise zur  Klärung der Gründe für die Strandung der Tiere.
 
Ein Vortrag zur Identifizierung der Opfer des thailändischen  Tsunamis (2004), deren Identität überwiegend per Zahnstatus geklärt  werden konnte, verdeutlichte die Schwierigkeit der Identifizierung von  Wasserleichen per DNA oder Fingerabdruck.
 
An der Bergung und anschließenden Untersuchung des 1545  untergegangenen Kriegsschiffes „Mary Rose“ von Henry VIII war die  kanadische Archäologin Lynn Bell beteiligt. Sie berichtete, wie sie durch den Einsatz der  Isotopenanalyse Rückschlüsse auf die Herkunft der Besatzung des Schiffes  ziehen konnte. Die Besatzung bestand zu etwa der Hälfte aus nicht  englisch-sprechenden Söldnern, so dass angenommen werden kann, dass   Verständigungsschwierigkeiten ihren Beitrag zum Sinken des Schiffes  geleistet haben. Einem vorbeifahrenden Schiff war zuvor noch zugerufen  worden, der Kapitän arbeite „mit Gaunern zusammen, die er nicht  kontrollieren könne“.
 
Der auch auf dieser Tagung umstrittene Nutzen von Kieselalgen  (Diatomeen) in Fällen von Ertrinken wurde von zwei Experten aus  Mazedonien und den Niederlanden vorgestellt.
  
Als Nicht-Wissenschaftler referierte ein Polizist über die  Herausforderungen und Grenzen der DNA-Untersuchung bei Wasserleichen. 
 
Ein Mitglied der italienischen Feuerwehr schilderte Einsätze, die  diverse Such- und Bergungstechniken erforderten wie beispielsweise die  vermehrte Anforderung zu Taucheinsätzen in Vermisstenfällen. Dass diese  beiden „Praktiker“ italienisch sprechen konnten, trug sicherlich in  großem Maße zu ihrer Bereitschaft bei, vor dem örtlichen Publikum zu  referieren. Dass allerdings italienische und spanische Wissenschaftler  in ihrer Muttersprache vortrugen, erschien unprofessionell. Auch der  Text der Vortragsfolien wurde nicht ins Englische übersetzt, so dass die  Besucher die Übersetzung per Kopfhörer heranziehen mussten. 
 
Leider waren die Dolmetscher unqualifiziert und konnten den  Vorträgen nicht folgen. Das Ergebnis war fürchterlich: „Diatomeen“  (Kiesel-Algen) wurden zu „Diamanten“ (neue Einnahmemethode der  katalanischen Mafia?), „Wörter“ wurden zu „Welten“. Gingen die Vorträge  ins Detail oder wurden wichtige Fragen oder Lösungsansätze besprochen  (so viel verstanden die Autoren auch aus dem Italienischen), fiel die  Übersetzung nur oberflächlich und unzureichend aus, Details wurden  weggelassen, teils fehlten ganze Abschnitte. 
 
Auch im Abstract-Buch wurden die meisten Inhaltsangaben und  Zusammenfassungen der italienischen Vorträge in der Landessprache  abgedruckt. Der finanziellen Mehraufwand, der in opulente Mittagsbuffets  gesteckt wurde, wäre besser in qualifizierte Dolmetscher investiert worden. 
 
Die positiven Seiten des Symposiums beziehen sich daher  überwiegend auf die englischsprachigen Vorträge, da die Beiträge in  italienischer Sprache nur bruchstückhaft zu verstehen waren. 
 
“Es gibt viele Wege, die zum Ertrinken führen”
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