Name: Bianca Luig
Masterarbeit: Lingua geographica – Künstlerische Auseinandersetzung mit einem medizinischen Phänomen
Technische Universität Dortmund
Institut für Kunst und materielle Kultur
Seminar für Kunst und Kunstwissenschaft
DIe Arbeit Lingua geographica – Künstlerische Auseinandersetzung mit einem medizinischen Phänomen schafft im besonderen Sinne eine Schnittstelle zwischen künstlerischen und medizinischen Forschungsansätzen. Bereits die Idee, mit dem künstlerischen Blick auf dem Gebiet der Medizin zu forschen, bildet den Boden für eine fruchtbare Wahlverwandtschaft. Laut UNESCO-Definition ist Forschung „jede kreative systematische Betätigung zu dem Zweck, den Wissensstand zu erweitern, einschließlich des Wissens der Menschheit, Kultur und Gesellschaft, sowie die Verwendung dieses Wissens in der Entwicklung neuer Anwendungen“ (OECD Glossary of Statistical Terms 2008).
Das Krankheitsbild ist insofern verwandt mit der Kunst, als sich dessen visuelle Erscheinung permanent verändert, täglich, manchmal stündlich und fast malerische Züge annimmt, die sich auf der Zungenoberfläche abspielen. Die künstlerische Auseinandersetzung beansprucht keinen Therapieansatz, sondern eine Möglichkeit der Visualisierung des Unsichtbaren eines noch unerforschten Phänomens.
Eine intensive Auseinandersetzung mit dem medizinischen Phänomen der Landkartenzunge bedingt eine grundsätzliche Beschäftigung mit dem Organ Zunge und ihrer Erforschung in der Schulmedizin sowie der Zungendiagnostik in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).
Der zu beobachtende künstlerische Forschungsansatz ist wie das Phänomen der Dieser Aufsatz als Lingua geographica dynamisch. Die finale künstlerische Auseinandersetzung realisiert sich interdisziplinär und intermedial, u.a. als Fotodokumentation K14.1 I, benannt nach der Nummerierung des Krankheitsbildes Lingua geographica (K14.1) im ICD-1o (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), in einer animierten Zeichnung K14.1 II. Der Betrachter trifft auf einen medizinischen Ansatz mit der Betrachtung der anatomischen Zeichnung einer Zunge. Dieser wird von jedoch weitergedacht und erhält die Möglichkeit der Visualisierung chronischer Dynamik.
Die dritte Komponente bildet eine Videoarbeit K14.1 III, in der die nicht sichtbaren Symptome des Krankheitsbildes selektiert wurden. Das oberflächliche Brennen, der metallische Geschmack und das Ziehen an den Zungenrändern werden mit dem ganzen Körper unter Zuhilfenahme von Symptomattributen performativ transferiert.
Die gewonnenen Erkenntnisse im Bezug auf die Krankheit und deren visuelle Erforschung werden in das Fach Medizin zurückgespielt. Gleichzeitig entstanden Erkenntnisse über neue Möglichkeiten künstlerischen Denkens und Handelns mit nichtkünstlerischen Feldern.
Julian Klein schreibt in seinem Text Was ist künstlerische Forschung?, „Kunst und Wissenschaft sind keine separaten Domänen, sondern vielmehr zwei Dimensionen im gemeinsamen kulturellen Raum. Das bedeutet, etwas kann mehr oder weniger künstlerisch sein, ohne dass damit bereits etwas über den Anteil des Wissenschaftlichen gesagt wäre. Dies trifft auch für viele andere kulturelle Attribute zu, wie beispielsweise das Musikalische, Philosophische, Religiöse oder Mathematische. Manche von ihnen sind im Gegenteil eher noch voneinander abhängig als isoliert. Insofern trifft Latours Diagnose sinngemäß auch hier: ‚Es gibt keine zwei Ressorts, sondern ein einziges, dessen Produkte sich erst später und nach gemeinsamer Prüfung unterscheiden.‘ “
Kann nicht eine Synthese zweier so unterschiedlicher Bereiche stattfinden, die uns ganz neue Formulierungsmöglichkeiten eröffnet?
BONUS: Teile dieser Masterarbeit (Performancevideo & Animation) auf Vimeo