Quelle: blick.ch (online) vom 12. Januar 2017
VON FRANZISKA PAHLE
Der Tod ist sein Job. Mord oder Unfall? Szenarien, bei denen sich andere vor Ekel übergeben, findet Mark Benecke richtig spannend. Der deutsche Kriminalbiologe und Spezialist für forensische Insektenkunde kommt mit seinem Vortrag «Kriminalfälle am Rande des Möglichen» am 3. Februar 2017 nach Zürich.
BLICK: Herr Benecke, Sie untersuchen Leichen und grausame Mordschauplätze. Warum machen Sie so etwas Ekliges?
Mark Benecke: Das ist doch nicht eklig, sondern der Kreislauf des Lebens. Alles recycelt sich, sonst würden sich auf der Welt kilometerhoch tote Mäuse, Menschen und Vögel türmen. Für mich ist eine Leiche ein Spurenträger.
BLICK: Klingt ziemlich abgeklärt.
Mark Benecke: Ich sehe nicht das Schicksal des Mordopfers. Tot ist tot, den kann man nicht mehr lebendig machen. Aber die Angehörigen interessieren mich, die können ziemlich taff sein.
BLICK: Wie meinen Sie das?
Mark Benecke: Wenn denen etwas komisch vorkommt, recherchieren sie es manchmal. Oder ein anderes Beispiel: Die Familie eines Mordopfers hat sogar den Boden aus der Tatwohnung rausgesägt und zu mir gebracht, weil sie sagen: «Da war Blut drauf» – und es war tatsächlich so!
BLICK: Wenn Sie zu einem Fall gerufen werden – was tun Sie als Erstes?
Mark Benecke: Gar nichts glauben, was ich sehe. Zum Beispiel: Nur weil sich Sperma zwischen den Beinen des Opfers befindet, heisst das nicht automatisch, dass es auch vergewaltigt wurde. Niemals darf man das annehmen, was vermeintlich offensichtlich ist – ganz im Gegenteil. Man muss neutral und ohne jede Annahme oder «Lebensnähe» vorgehen.
BLICK: Aber hat man da nicht manchmal so ein Gefühl, was passiert sein könnte?
Mark Benecke: Nein. Bauchgefühle sind scheisse.
BLICK: Okay. Unterhalten Sie sich dann mit Ihren Kollegen beim Feierabendbier auch nur über knallharte Fakten?
Mark Benecke: Ich treffe mich nicht mit Kollegen. Das letzte Mal, als ich mit Berufskollegen ein Bier trinken war, war 2001, nachdem das World Trade Center zusammengestürzt war. Ich war vorher in der Rechtsmedizin in New York angestellt. Da bin ich rübergeflogen und habe gesagt: «Wir gehen jetzt was trinken, damit ihr den ganzen Mist mal kurz vergesst.»
BLICK: Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Freizeit dann?
Mark Benecke: Ich habe keinen Fernseher und lese keine Romane. Ich arbeite lieber und lese Fachbücher.
BLICK: Aber Sie selbst sind regelmässig im TV zu sehen und schreiben sogar Bücher. Wie kommt das?
Mark Benecke: Die Leute finden spannend, was ich mache, weil ich es verständlich erkläre. Ich spreche gerne über meine Arbeit. Man kann garantiert auch Politik oder Atomphysik aufregend erklären. Wenn man das nicht hinkriegt, dann hat sich der- oder diejenige nicht die Mühe gemacht, es selbst zutiefst zu verstehen.
BLICK: Wegen Ihrer Arbeit mit Insekten werden Sie auch als «Herr der Maden» bezeichnet.
Mark Benecke: Maden sind ziemlich cool. Sie helfen uns, die Liegezeiten von Leichen zu bestimmen. Ich mag aber auch Fauchschaben, die halte ich als Haustiere. Die können fauchen, und ich nehme sie mit zu meinen Vorträgen. Und im Berliner Museum bin ich Pate der Markusfliege.
BLICK: Die haben Sie sich nur wegen des Namens ausgesucht!
Mark Benecke: Nö, die sind ganz schwarz, und ich mag alles, was düster und schwarz ist. Ausserdem kommen die nur einmal im Jahr zum Vorschein. Wenn eine Markusfliege mit einer Leiche in einem Teppich eingewickelt und im See versenkt wird, kann ich anhand der Fliege bestimmen, in welcher Jahreszeit der Teppich zusammengerollt wurde.
BLICK: Der Tod macht Ihnen keine Angst. Was dann?
Mark Benecke: Nichts. Der Tod ist etwas Natürliches. Ich habe nur keinen Bock auf Schmerzen.
BLICK: Sie tragen neben schwarzer Kleidung auch viele Tattoos und interessieren sich für Vampire und Paranormales. Gruseln sich die Menschen vor Ihnen?
Mark Benecke: Eigentlich nicht. Ich hänge ja selbst viel mit schrägen Leuten ab. Aber in Zürich stand ich letztes Jahr mit meiner Frau am Rathausplatz, da hat sich ein alter Mann, der uns gesehen hat, bekreuzigt.
Mit großem Dank an Franziska Pahle und die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.