Ich fühle mich an vielen Orten heimisch

Quelle: trend, März 2017, Seiten 6 bis 7

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Dr. Mark Benecke hat eine vielfältige Vita, lebt ein selbst gewähltes Nomadendasein und fühlt sich als Deutschlands bekanntester Forensiker mit Insekten und Leichen ebenso wohl wie auf dem politischen Parkett als Landesvorsitzender von „Die PARTEI“. Außerdem liebt er Tattoos, Vampire, Donald Duck und ist regelmäßiger Gast auf Gothic-Veranstaltungen. Ganz nebenbei ist er auch auf Tournee mit verschiedenen Programmen. Am 17. März gastiert er in Northeim. trend-Redakteur Claus Kohlmann hatte das Glück, ihn per E-Mail mit ein paar Fragen löchern zu dürfen.


Bei Deinen ganzen Aktivitäten, hast Du da noch Freizeit?

Das trenne ich nicht – ich mach meinen Kram und fertig. Das meiste ist lange im Voraus geplant und festgelegt, ich spaziere also durch recht festgelegte Welten. Da ich das ganze Jahr mit der Bahn fahre, ist es sogar noch stärker in Fahrpläne eingebunden. Mir macht das alles Spaß. Leben heißt leben, oder?


Würdest Du bei allem Nomadendasein Köln als Deine Heimat bezeichnen?

Ich bin in Köln aufgewachsen, kenne jeden Busch und Pflasterstein (spätestens seit dem Zivildienst, aber auch, weil ich schon immer nur Fahrrad fahre und in mehreren Stadtvierteln gelebt habe). Zu ziemlich vielen Wohnungen kann ich Dir auch einen Kriminal- oder Todesfall erzählen. Manche der „heimatlichen“ Sachen werden im Laufe der Jahre durch den Kontakt mit vielen Menschen in anderen Regionen komisch, vor allem Karneval oder der Hass beziehungsweise die beleidigte Eifersucht auf Düsseldorf, aber das hat schon alles seinen Platz. Selbst als ich nach einigen Jahren aus Manhattan wiederkam, umwehte mich hier sofort wieder die urkölsche Toleranz und Akzeptanz... Noch nicht mal in New York gab es das wie hier in Kölle am Rhing. Das Kölner Stadtmuseum hat deswegen ein großes Portrait in Öl von mir in der Sammlung, und der Stadtbibliothek schenke ich öfters schöne Werke, zuletzt die Gesamt-Sammlung von Carl Barks, die jetzt unter „Weltliteratur“ steht. Und Bürgermeister wäre ich neulich auch fast geworden: Ich hatte mehr Stimmen als jemals eine drittplatzierte Partei in Köln hatte. Mer kennt sisch, mer hilft sisch (Adenauer).

 

Was bedeutet der Begriff Heimat für Dich?

„Heimat“ ist oft der Ort, wo man die kulturellen und sozialen Regeln gut versteht und aufgenommen hat, sich örtlich auskennt und daher wenig Reibung entsteht. Ich bin aber schon immer viel rumgereist, zum Glück haben meine Eltern meinen Bruder und mich auch regelmäßig in Nachbarländer und andere Regionen mitgenommen, unsere Großeltern stammen auch aus ganz verschiedenen Ecken. Ich arbeite in den Tropen, mit allen Altersstufen von Menschen, in den verrücktesten Situationen – daher fühle ich mich an vielen Orten heimatlich oder heimisch.


Du bist regelmäßig beim Amphi und bei den WGT. Wann sieht man Dich auf dem M’era Luna?

Da ich Megavollpfosten vergessen hatte, Pfingsten 2017 im Kalender zu blockieren, und da das M’era Luna eine „Akademie“ (einen wissenschaftlichen Teil) organisieren will, schaue ich vielleicht dieses Jahr ganz kurz vorbei. Ich hasse aber Sonne, und Hotels scheint es auch keine mehr zu geben. Es bleibt daher spannend.


Bekäme das Amphi-Festival ein eigenes Stadion, wenn Du doch mal zum OB gewählt würdest?

Das samtschwarze Publikum hat entschieden: Es will von allen Plätzen und Stadien auf dieser Welt ausgerechnet den Tanzbrunnen in Köln mit seinen Tulpenrabatten, zu wenigen Toiletten und dem Blick auf den Rhein. So sei es daher – Demokratie der schwarz beschuhten Füße ;).


Wenn Serdar Somuncu Kanzler würde und Dich in sein Kabinett beriefe, welchen Ministerjob hättest Du am liebsten?

Minister für Zauberei. Vier Zauberstöcke habe ich schon (Lana Lovegood, Prof. Snape, Prof. McGonegall, Ginny Weasley, Anm. d. Red.).


Gibt es etwas, das Du an Deinem Beruf gar nicht magst?

Manchmal rücken einem gewaltbereite Menschen etwas zu nah auf die Pelle, auch privat. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich das besser einschätzen konnte, was es allerdings nicht besser, sondern nur überschaubarer gemacht hat. Gerade Menschen mit starken seelischen Veränderungen handeln unlogisch, es erscheint ihnen selbst aber total logisch. Das ist anstrengend.


Wie kam es dazu, dass Du Dich in den Staaten ausbilden lassen konntest?

Ich habe einfach gefragt. In der Rechtsmedizin New York war ich aber ganz normal angestellt. Meine alte Chefin aus Köln hatte dort gearbeitet, ich knie bis heute vor ihr nieder.


Du hast immer ein Spurensicherungskit dabei. Bist Du schon oft über „spontane Leichen“ gestolpert?

Ja, oft. Überall liegen alleine schon tote Insekten rum, die ja immer etwas über die Umgebung erzählen. Ist spannend, wenn Du in einer Stadt ankommst und so schon am Bahnhof erste Informationen über Wetter, Sauberkeit, Flora und Fauna sammeln kannst.


Wie wahrscheinlich ist eine Zombieapokalypse oder die Übernahme der Weltherrschaft durch Vampire? 

Schon passiert...


Als ausgesprochener Filmfan und -kenner, wann hört bei Dir das Verständnis für Reboots, Spin-Offs und Sequels auf?

Ich gucke mir immer die Film-Poster an. Wenn die lieblos gemacht sind, stimmt was nicht und fertig. Abgesehen davon gebe ich Fortsetzungen gerne eine Chance, weil beispielsweise Wishmaster 2 und 3 super geworden sind, same with Nightmare on Elm Street. Wenn’s dann doch mal schrottig und ausgelutscht wird: Einfach ignorieren und vergessen. Hat man ja bei Hannibal gesehen: Die haben dann einfach aufgehört, als es genug war. Das abgesägte Bein der Psychologin als Cliffhanger hat einfach nicht gereicht, es war (sauber und schön) zu Ende erzählt und Feierabend. Ist aber nicht immer so – Indiana Jones mit dem Alienschädel fand ich Eins A erzählt, auch wenn Southpark sich mega drüber aufgeregt hat. Würde ich jederzeit wieder gucken. Spin-Offs sind mir eher egal, aber da mein kleiner Neffe gerne in die Star Wars-Filmwolke geht, will ich nicht opamäßig rumklugscheißern, sondern gehe sehr gerne mit und freue mich.


Aktueller Filmtipp von dir (mit Begründung, bitte)?

Natürlich Blade Runner 2049 – der erste Film hat mit bewirkt, dass ich Kriminalbiologe geworden bin (die Schuppen der „künstlichen“ Schlange! Das Einhorn!). Split war auch gut, was die Darstellung einer sehr frühen Traumastörung angeht... Natürlich ist es ein Spielfilm, aber ich fand es eindrucksvoll genug erzählt. Trainspotting 2 muss auch sein – was für eine coole Idee ist das denn, diese Geschichte mit den Jungs weiter zu erzählen, die von einem der krassesten Betruge... Betrüge... Hintergehungen handelt, die es in der Filmgeschichte gab? Das wird auch kriminalistisch spannend ;).


Du arbeitest mit traumatisierten und mit hochbegabten Kindern. Wie kann man sich das vorstellen?

Die laden mich ein, ich gehe hin. Dann mache ich entweder ’ne Stunde mit Experimenten in der Schule oder in der Psychiatrie oder suche kniffelige Fälle raus. Mit den hochbegabten im Rheinland machen wir eine Mini-Bodyfarm mit vielen verschieden gelagerten, toten Tieren und arbeiten einen Tag mit den Leichenbesiedler/innen und schauen uns die Fäulnis-Unterschiede an. Eigentlich mache ich mit den Kindern dasselbe wie mit den Studierenden, aber das wissen beide Seiten nicht (außer, sie lesen das Interview hier ;) ).


Dein Thema in Northeim am 17. März ist Serienmord. Was können die Zuschauer erwarten? Live-Demonstrationen? Die Überführung eines Täters?

Ich erzähle ein bisschen durch die Augen der Täter und von Kriminalist/innen und von mir, was die Täter so anstellen, warum und wie. Serienmord läuft anders ab als im Kino, und er hat auch andere soziale Folgen in den Gemeinschaften und Familien vor Ort.


Wen würdest Du gerne mal treffen?

Ich treffe jeden Tag überall sehr coole Menschen, no shit: www.facebook.com/markbenecke ;)


Wen würdest Du auf gar keinen Fall auf eine einsame Insel mitnehmen?

Haha, lustig ;). Jeder, der mich kennt, weiß die Antwort darauf ;).
 

Mit großem Dank an Claus Kohlmann und die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.