Quelle: nachtplan 7/8 2017 (Heft Nr. 86), Seiten 24 bis 25
VON MARK BENECKE
Als ich ein Grußwort für den weltweiten Wissenschaftsmarsch gegen Fakequatsch und für saubere Daten aufnahm, staunte ich. Das Team aus Leipzig bestand aus Gruftis und Metallern. Wie schön! Doch lieben diese nicht das feingeistig Jenseitige? Ja und nein.
„Als langjähriger Künstler und Musiker der Gothicszene”, erklärt Mitorganisator Torsten, “geht mir eines schon seit vielen Jahren gehörig auf den Senkel: Der Hang vieler Mit-Gruftis zu Aberglaube, Verschwörungstheorien, Ersatzreligionen und allerlei anderen irrationalen Dingen. Für mich bedeutet die Begegnung mit dem „dunklen Ich“ primär eine Auseinandersetzung mit Tod, Vergänglichkeit, Isolationsgefühlen und Sehnsucht auf der Ebene von Philosophie und Kunst. Die Zeit der Schwarzromantiker des 19. Jahrhunderts war auch die Zeit der Aufklärung, also der intellektuellen Rebellion gegen mittelalterliche, magische und religiöse Denkweisen.
Dass ein großer Teil der heutigen „Schwarzen“ das Mittelalter unkritisch verklärt, „alte Götter“ aufpoliert — als hätte die Welt nicht schon genug Probleme mit religiösen Umtrieben — und sich in pseudo-gelehrten Spekulationen über Energiefelder, Psychokinese und die Macht der Sterne ergeht, behagt mir gar nicht.
Wir „Gothic-Nerds“ stellen eine ziemliche Minderheit dar. Ich wünsche mir eine intellektuelle Renaissance der Szene, eine Abwendung vom es kapistischen Geraune und eine Hinwendung zu echter, gerne auch sarkastischer und tiefschwarzer Gesellschaftskritik, zu einer Bejahung von Logik, Verstand und Rationalität.”
Zack!
Mit-Organisatorin Birte sieht es ähnlich. Sie ist Designerin und “hatte vor einem Jahrzehnt das Glück, viele Jahre in einem naturhistorischen Museum in Karlsruhe als Szenografin und Werbedesignerin zu arbeiten. Spätestens da, mit Mineralogen, Lepidopterologen, Mykologen und anderen herrlich komischen Nerds unter einem Dach, ist mir der letzte Heilstein, alle Wunderpilze (außer die metaphorischen) und letzte Eso-Schmetterlinge aus dem Hirn gescheucht worden. Mir missfällt zutiefst der gesellschaftliche Trend, andere denken zu lassen und die falsche Annahme, Wissen diene nur der Karriereleiter. Und weil’s sonst einer weniger machen würde, mache ich mit und helfe die Leute auf die Straße zu bringen.”
Hat geklappt. In weltweit 600 (jau) Städten… und im schwarzen Leipzig dankenswerter Weise mit Gruftis und Metallern ;) Geht doch!
Herzlich Euer —
Gothic-Nerd
Markito